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Wenn man in einer wolkenlosen Nacht in den Himmel schaut, dann kann man unseren Mond, die Sterne und Planeten sehen. Und noch etwas gibt es da oben zu entdecken: helle Punkten, die sich ziemlich schnell über uns hinwegbewegen. Das können Flugzeuge sein - oder Satelliten.

Foto: APA/Telesat

"Wer den Weltraum kontrolliert, kontrolliert die Welt", sagte der spätere US-Präsident Lyndon B. Johnson im Jahr 1961. Tatsächlich spielt der Weltraum seit Jahrzehnten eine immer größere Rolle für die Menschheit. Das irdische Leben funktioniert heute nicht mehr ohne die Technik im Orbit. Tausende Satelliten sind mittlerweile dem Urflieger Sputnik gefolgt und ziehen ihre Kreise um dem Planeten Erde. Sie lassen den modernen Menschen telefonieren, Schiffe und Flugzeuge navigieren oder Unwetter vorhersagen.

Carsten Scharlemann kontrolliert zwar nicht den Weltraum, zumindest leitet er aber das Department "Advanced Materials" im größten österreichischen Forschungskomplex in Seibersdorf. Der Chef des Bereichs Raumfahrttechnik forscht an Antriebssystemen für Satelliten. Irgendwie müssen die Schüsseln ins All gelangen und sich dort bewegen. "Man kann einen Satelliten mit einem chemischen oder einem elektrischen Motor antreiben. Bei Space-Shuttle-Starts wird Brennstoff mit Oxidationsmittel bei hohen Temperaturen verbrannt, das erzeugt einen starken Schub. Beim elektrischen Antrieb sind die Schübe wesentlich geringer, dafür ist die Wirkdauer länger. Eine Rakete lässt sich damit nicht starten, im All ist ein Satellit durch die Nutzung der Sonnenenergie aber länger einsatzfähig."

Eine einfache Rechnung

Das von der EU finanzierte Projekt "SMART 1" brachte im Jahr 2004 die erste Raumsonde mit Ionenantrieb zum Mond, eine Mission die 110 Millionen Euro kostete und damit nur etwa 20 Prozent einer typischen europäischen Weltraummission. Ökonomische Prinzipien herrschen freilich auch in den Weiten des Weltraums. Die Wirtschaftskrise sei in der Raumfahrt spürbar, wenn auch gedämpft. Die Gelder kommen hauptsächlich von Trägerorganisationen wie der EU oder der ESA (European Space Agency), wo Budgets für fünf Jahre vorausgeplant und vorfinanziert seien.

Carsten Scharlemann macht die Milchmädchen-Rechnung: "Für eine Mission zum Mond braucht man bei chemischem Antrieb eine Tonne Treibstoff, bei einem elektrischen Modul reichen 100 Kilogramm. Dass heißt sie können 900 Kilogramm mehr an wissenschaftlichen Instrumenten mitnehmen oder der Satellit wird leichter. Heutzutage kostet ein Kilogramm 20.000 Euro um ihn ins All zu bringen. 20.000 mal 900, das ergibt eine schöne Summe."

Reisen zur Erkenntnis

Scharlemann macht es Spaß in diesen Dimensionen zu denken, er ist das geworden, was er werden wollte. Als Kind schaute er im Fernsehen Raumschiff Enterprise, mit William Shatner alias James T. Kirk als Kapitän auf der Kommandobrücke. Sein Interesse galt immer der Technik. In München hat der gebürtige Deutsche Luft- und Raumfahrttechnik studiert, danach noch einen Doktor an der Ohio State University nachgeschoben, mit Hauptaugenmerk auf Physik. "Das kann ich nur weiter empfehlen. Auf mehr als einem Fachgebiet zu studieren, erweitert den Horizont. Und man hat ganz einfach bessere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt."

Derzeit arbeitet Scharlemann mit seinem Team an der Mission "LISA Pathfinder". Dabei werden drei Satelliten in einem Dreieck positioniert, in jeweils fünf Millionen Kilometer Abstand voneinander. Start des Projekts ist 2011, Ziel ist es Gravitationswellen nachzuweisen. Albert Einstein hat die Existenz von Gravitationswellen in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt, bewegte Massen lassen die Raumzeit gewissermaßen erzittern. Eine Bestätigung fehlt bis dato.

Was bedeutet das All für den Raumfahrttechniker? "Es ist eine aufregende Entwicklung was das Technische angeht, das erlebt man so nur selten in anderen Industrien. Früher gab es im Solarenergiebereich eine Effizienz von ein paar Prozentpunkten, inzwischen liegt man bei über 20 Prozent und in der Laborentwicklung bei über 40 Prozent. Die Grenze ist 100 Prozent. Die Menschheit war immer gut darin, Grenzen zu überschreiten. Es geht aber auch um Philosophie: Sind wir alleine im Universum? Woher kommen wir, wohin gehen wir? Auf einem der Monde vom Jupiter, Europa, gibt es wahrscheinlich riesige Seen gefrorenen Wassers."

"Ein kostspieliges Hobby"

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kämpft die Menschheit mit den Folgen der Globalisierung, die Weltraumforschung ist ein wenig eingeschlafen. Von einer Expedition zum Mars träumen nur wenige, Missionen für die kommenden zwanzig bis dreißig Jahre werden gestrichen, Staatshausalte knausern. Im All dreht sich im Moment vieles um Erdbeobachtungen, die Amerikaner haben ihre neueste Mondmission abgeblasen. Alternativen zur staatlichen Raumfahrt bahnen sich aber bereits an.

In den USA gibt es Initiativen von Privatunternehmen, die Orbitalflüge anbieten wollen und Gelder in Forschungsprojekte stecken wollen. "Spaceship One" war 2003 der erste kommerzielle Raumflug, Leute wie der Luftfahrtingenieur Burt Rutan oder der Abenteurer und Milliardär Richard Branson wollen eine neue Ära der Astronautik einleiten. Carsten Scharlemann könnte sich vorstellen, einmal in der privaten Raumfahrtindustrie zu arbeiten, sein Traum wäre es einmal eigene System zu entwickeln. "Momentan ist Raumfahrt ein kostspieliges Hobby, es gibt noch kein Return on Investment. Es wird aber ab dem Zeitpunkt kein Hobby mehr sein, sobald jemand, der smarter ist als ich, herausfindet, wie man da oben wirklich Geld verdienen kann." (derStandard.at, 28.4.2010)