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Staphylococcus aureus: sieht hübsch aus, kann aber lebensgefährlich sein.
Meistens ist Staphylococcus aureus ein recht harmloser Organismus. Die Bakterienspezies kommt fast überall auf der Welt vor und verhält sich normalerweise unauffällig. 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung, schätzen Experten, tragen die Mikroben in ihrer Nase. Und merken nichts davon. Doch die Keime können auch anders. Manchmal greifen sie den menschlichen Körper an und lösen gefährliche Infektionen aus, die sich bis hin zu tödlich verlaufenden Lungenentzündungen entwickeln können.
Ärzte greifen in solchen Fällen zu Meticillin oder anderen Antibiotika, um die marodierenden Bakterien schnellstens ins Jenseits zu befördern und damit unschädlich zu machen - leider nicht immer mit Erfolg. Seit 1961 die ersten Meticillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA) auftauchten und sich anschließend ausbreiteten, ist die Bekämpfung dieser Infektionen schwieriger geworden. MRSA wurden in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen rasch zu einem echten Problem. Inzwischen gibt es in solchen Institutionen Staphylokokken, die multiresistent sind. Kaum ein Medikament kann ihnen noch etwas anhaben.
Aggressive Spezies
Derweil hat sich die Gruppe der Resistenten auch in anderer Weise vergrößert. Neben den "hospital-associated" (HA)-MRSA traten Ende der Achtziger erstmalig sogenannte "community-associated"-(CA)-Meticillin-resistente Stämme auf. Diese findet man außerhalb des Gesundheitssektors, in der normalen Alltagsgesellschaft sozusagen. Viele Fachleute sehen hierin eine potenzielle Gefahr. Einerseits, weil die Übertragungsmöglichkeiten in der sich frei bewegenden Bevölkerung größer sind, und andererseits verursachen CA-MRSA öfter auch bei gesunden Menschen ernsthafte Infektionen. Sie greifen nicht nur die Geschwächten an, wie dies ihre HA-Verwandten üblicherweise tun.
Frank DeLeo, Leitender Forscher am US National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Hamilton/Montana, widmet CA-MRSA zusammen mit einigen Kollegen besondere Aufmerksamkeit. Der Grund: Die freilebenden Keime sind tatsächlich auf dem Vormarsch. Im Fachmagazin The Lancet bezeichnen die Wissenschafter die Ausbreitung von CA-MRSA in Nordamerika sogar als Epidemie, vor allem in den USA. Allerdings warnt DeLeo gleichzeitig vor Panik. Die Erreger treten zwar häufiger auf, aber es gebe nur wenige schwere Krankheitsfälle. "Ich möchte nicht von einem Seuchenausbruch sprechen", betont der Mediziner im Gespräch mit dem Standard. Abgesehen davon seien die allermeisten CA-Stämme nur gegen Meticillin resistent. Andere Antibiotika wirken hier nach wie vor.
In Bezug auf die Herkunft von CA-MRSA tappen Forscher noch weitgehend im Dunkeln. Während HA-Stämme ihre Resistenzen durch den häufigen Einsatz von Antibiotika in Spitälern und dem damit verbundenen Selektionsdruck erwarben, könnten bei CA-Typen auch spontane Mutationen stattgefunden haben. "Genau das versuchen wir herauszufinden", erklärt Frank DeLeo. Zwar habe sich bei CA-MRSA mittlerweile eine gewisse genetische Vielfalt entwickelt, "aber die Hauptlinien entstammen ganz klar jeweils einem einzigen Klon".
Regionale Varianten
Interessanterweise kommen unterschiedliche CA-Linien geografisch getrennt vor. Nordamerikanische Typen treten bislang kaum in Europa auf und umgekehrt. Die amerikanischen CA-Erreger scheinen sich allerdings schneller verbreiten zu können. Unter ihnen hat sich ein Typus namens USA300 als besonders aggressiv hervorgetan. Bei dieser Variante sind auch schon Mehrfachresistenzen beobachtet worden, sagt Frank DeLeo. Eine bedenkliche Entwicklung.
MRSA-Infektionen zeigen kein typisches Krankheitsbild. Oft bemerkt man vorerst gar nichts. Pyodermie, großflächige Hautrötung, eventuell begleitet von zahlreichen kleinen Pickelchen, kann ein erstes Anzeichen sein. Des weiteren kann es zu Wundinfekten oder der Entstehung von Furunkeln kommen. In schlimmen Fällen zersetzen die Bakterien zahlreiche Körperzellen. Das Gewebe stirbt ab, es bilden sich übelriechende Nekrosen. MRSA-Keime können auch schwere Nebenhöhlenentzündungen auslösen.
Für die Lage in Österreich ergibt sich ein zweiseitiges Bild. "Wir haben seit etlichen Jahren einen deutlichen Rückgang an invasiven HA-MRSA-Infektionen", berichtet der Mediziner Helmut Mittermayer vom Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin in Linz. Der Anteil solcher Stämme an der Gesamtmenge von durch Staphylococcus aureus verursachten Krankheitsfällen sank von mehr als 15 Prozent in 2003 auf circa fünf Prozent im vergangenen Jahr. Mittermayer: "Diese Senkung muss der besseren Arbeit der Hygieneteams in den Spitälern zu verdanken sein." Denn dadurch verringere sich die Übertragungsrate. In Österreich verzeichne man einen stärker rückläufigen Trend als in vielen anderen europäischen Ländern, so der Experte.
Zur Verbreitungstendenz von CA-MRSA lässt sich allerdings noch keine präzise Aussage treffen. "Unsere Daten hierzu reichen nur wenige Jahren zurück", erklärt Helmut Mittermayer. Nach den bisherigen Erkenntnissen werden neun Prozent aller hierzulande auftretenden MRSA-Fälle von freilebenden Keimen ausgelöst. "Es ist anzunehmen, dass sie sich ausbreiten. Sie haben eine ganz andere Dynamik." Die Trennung zwischen beiden Gruppen wird übrigens zunehmend unscharf, betont Mittermayer. Krankenhaus-Stämme treten immer wieder auch außerhalb von Pflegeeinrichtungen auf, während sich CA-Typen in Spitälern und Altenheimen niederlassen.
Mit Blick auf die Übertragungswege von CA-MRSA herrscht unter Fachleuten noch keine Einigkeit. Manche vermuten, dass die Nase als Bazillenbrutstätte die Hauptrolle spielt, andere wiederum sehen in direkter Hautberührung und Kontakt mit Körperflüssigkeiten das größte Ansteckungsrisiko (vgl. Clinical Infectious Diseases, Bd. 46, S. 752). Normale Hygiene dürfte dennoch ausreichen, um die Gefahr einer Infektion zu minimieren. Helmut Mittermayer empfiehlt regelmäßiges Händewaschen, und Unterwäsche sollte in der Maschine nicht zu kalt gewaschen werden. "Erst ab 60 Grad wird's für die Keime ungemütlich." (Kurt F. de Swaaf, DER STANDARD Printausgabe, 19.4.2010)