Dass eine Partei, die 65 Jahre alt ist, keinen Kandidaten oder keine Kandidatin für das Ersatz-Kaisertum in der Hofburg aufgestellt hat, ist ein Zeichen für vorgerücktes Alter. Ab in die Pension. Kein Ehrgeiz mehr. Keine Punching-Qualitäten. Ihr Obmann verletzt sich ja auch bei den kleinsten Versuchen einer Sportausübung. Zu schwer für Sprünge oder schnellere Fortbewegung.
Nein, das ist unfair. Denn man sollte prinzipiell nicht schadenfroh sein. Und außerdem ist Josef Pröll immerhin Vizekanzler, weil der spätere Kanzler Werner Faymann im Wahlkampf ja von einer Massenzeitung gepusht wurde.
Prölls Vorgänger in der ÖVP, Wolfgang Schüssel, hat die Krone gar nicht gebraucht, um 2002 triumphal zu siegen. Es genügte, in das Klangbild Jörg Haiders einzustimmen, weil der sich zuvor in Knittelfeld fast ganz demoliert hatte.
Schon im Jahre 2000, vor zehn Jahren, mit 55, hat die Volkspartei eine Wende vollzogen. Sie nannte sich weiter christlich, war es aber nicht mehr. Sie hielt sich weiter für eine Partei der sozialen Marktwirtschaft, hatte aber längst (genau seit Schüssels Obmannwahl 1995) Margaret Thatchers Politik für Österreich adaptiert - und damit den Staat geschwächt, die private Profitgier jedoch gestärkt.
Die große Leistung der ÖVP-Spitze ist zweifellos, dass sie nicht nur die Haider-Rechte, sondern auch Teile der SPÖ überzeugt oder dazu verführt hat, den Neoliberalismus als das bessere Gesellschaftsmodell zu unterstützen. Die roten Egos waren ganz dabei.
Das politische Resultat: Nicht nur der Mittelstand trägt eine der höchsten Steuerlasten Europas. Selbst Industrielle kommen sich betrogen vor - wer einige Monate in einem staatsnahen Unternehmen als Spitzenmanager arbeitet und dann abrechnet, verdient mehr als bei einer Glücksnacht im Kasino. Und trägt nicht das Risiko eines innovativen, investierenden Unternehmers.
1945, als die Österreichische Volkspartei gegründet wurde, war der ÖAAB, ihr Arbeitnehmer-Flügel, der stärkste ihrer Bünde. Sein "Wiener Programm" war dem der britischen Labour Party vor Tony Blair nachgebildet. Das soziale, auf Freiheit aufgebaute Wollen einer stark katholischen Partei.
Bald war der Bauernbund mit seiner patriarchalischen Struktur ebenso maßgeblich wie der unter Julius Raab gestärkte Wirtschaftsbund vor dem deutschen Hintergrund des legendären Ludwig Erhard.
Das hielt lange - bis zu Josef Klaus, der aus eigenem Reformeifer, aber auch deshalb an die Macht gekommen war, weil Franz Olah 1966 der SPÖ zu viele Stimmen nahm.
Erste Versuche, die Kreisky-SPÖ, aber auch künftige große Koalitionen auszuhebeln, kamen aus der Steiermark. Josef Taus sollte siegen und mit Alexander Götz Schwarz-Blau komponieren. Kreisky, der selber mit alten Nazis geflirtet hatte, vereitelte den Plan noch einmal. Und Fred Sinowatz fesselte in der Folge drei Jahre eine etwas zur Mitte gerückte FPÖ.
Seit 2000 steht die ÖVP aber weiter rechts denn je in der 2. Republik. Wirklich Liberale à la Busek oder Fischler sind ihr fremd, soziale Verpflichtungen nur noch ein Kostenfaktor.
Das ist ihr Schlüssel zurück zur ganzen Macht. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, Printausgabe, 19.4.2010)