
Wo heute Autos parken, entsteht bis 2013 die Seestadt. Bregenz bekommt damit ein urbanes Zentrum mit Seeblick - Ein Team aus Wiener und Vorarlberger Architekten plant
Bregenz - Fast 20 Jahre lang leistete man sich in der Vorarlberger Landeshauptstadt in bester Lage einen riesigen Parkplatz. Nun entsteht auf der 9300 Quadratmeter großen Fläche zwischen Zentrum und Bahnhof, dem "Seestadt-Areal", ein neues Stadtviertel.
"Kein autonomes Ufo" soll es sein, "sondern als Teil der Stadt gelesen werden", teilte Carl Fingerhuth, Sprecher der Jury des Wettbewerbsverfahrens, zur Überbauung am Freitag spätnachmittags vor zufriedenen Stadtpolitikern mit.
Gewonnen hat den Architekturwettbewerb die Planungsgemeinschaft Aicher Architekten (Lustenau), Zechner & Zechner (Wien), Ludescher und Lutz, beide Bregenz. Mit Aicher kam ein Büro zum Zug, das bereits mehrere Competence-Center für die Mehrheitseigentümerin Prisma geplant hat, Zechner & Zechner bringen Erfahrung in Stadt- und ÖBB-Planung mit, Elmar Ludescher und Philip Lutz zählen zu den jungen Kreativen der Vorarlberger Architekturszene. Überzeugt hat die Jury die kleinteilige städtebau- liche Struktur, die im Maßstab der bestehenden Gebäude bleibt, Sichtverbindungen zum See und einen urbanen Platz schafft. Die Bahnhofstraße würde, so Fingerhuth, "aus ihrer verlassenen Situation, erlöst".
In diese Situation manövriert hatten sie politische Querelen und Bürgerinterventionen. Zur Masterplanerstellung und Wettbewerbsvorbereitung nahm sich die Prisma Zentrum und Regionalentwicklung GmbH, mit ihrer Tochter CB Investment 75-Prozent-Eigentümerin des Areals, viel Zeit. Das Ergebnis war eine einstimmige Juryentscheidung. Für Prisma-Vorstand Bernhard Ölz Voraussetzung für eine rasche Umsetzung der Planung. Baubeginn soll im Frühsommer 2011 sein, die Bauzeit wird mit zweieinhalb Jahren veranschlagt. Investiert werden 75 bis 80 Millionen Euro.
Noch nicht der große Wurf
War nach Ankauf des Areals noch von einem Technologiepark, Bildung und Forschung im neuen Viertel die Rede, konzentriert man sich nun auf Wohnungen mit Seesicht, Handels- und Büroflächen. Der erhoffte ganz große Wurf, eine gemeinsame Überbauung von Seestadt und Bahnhofsareal, ist nicht gelungen. Die ÖBB sind zwar bereit, das Areal zu verkaufen, haben aber noch keinen Investor gefunden. Die Einbindung von Bahn und Bus in die neue Verbauung, eine wesentliche Forderung der Grünen, bleibt aufrecht. Die Gestaltung des Übergangs zu Bahnhof und Bus-Terminal sei zwar noch offen, sagt Vize-Bürgermeister Gernot Kiermayr, hofft aber beim Bahnhofsumbau auf eine "ähnlich hohe Qualität" und die Umsetzung des ÖPNV-Knotens in der ersten Bauetappe.
Ebenfalls noch offen ist die Gestaltung des alten Zentrums. Befürchtungen, die Fußgängerzone Kaiserstraße könnte wegen ihrer Unattraktivität mit dem neuen Einkaufsviertel nicht mithalten, teilt Bürgermeister Markus Linhart (VP) nicht: "Wir werden eine richtige Antwort finden. Ich halte nichts davon, in Ängsten zu denken, ich denke in Chancen." Das Seestadtareal ist für Linhart eine Möglichkeit, das bestehende Zentrum aufzuwerten. Die Seestadt werde mehr Kaufkraft anziehen, auch in anderen Vierteln. (Jutta Berger/DER STANDARD, Printausgabe, 19. April 2010)