In einem offenen Brief an die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) haben mehr als 40 Organisationen und Verbände einen endgültigen Stopp der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung gefordert. Der von der EU auferlegte Zwang zum Speichern aller Verbindungsdaten setze vertrauliche Tätigkeiten und Kontakte etwa zu Journalisten, Beratungsstellen und Geschäftspartnern dem ständigen Risiko eines Bekanntwerdens aus, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Schreiben. Die Unterzeichner forderten Leutheusser-Schnarrenberger auf, sich auf EU-Ebene für eine Abschaffung der Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung einzusetzen.

Ablehnung

Untersuchungen belegten, dass bereits die derzeit verfügbaren Kommunikationsdaten ganz regelmäßig zur effektiven Aufklärung von Straftaten ausreichten, heißt es in dem offenen Brief. Zu den 48 Unterzeichnern zählen Bürger- und Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften ebenso wie Berufsverbände von Journalisten, Juristen und Ärzten. Etwa 70 Prozent der deutschen Bundesbürger lehnten eine verdachtslose Protokollierung ihrer Kontakte und Aufenthaltsorte ab, erklärte Florian Altherr vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der das Schreiben mit initiierte.

Von mehr als 34.000 Bürgern gekippt

Anfang März hatte das Bundesverfassungsgericht das umstrittene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nach Beschwerden von mehr als 34.000 Bürgern gekippt, Leutheusser-Schnarrenberger unterstützte die Klage. Eine EU-Richtlinie von 2006 jedoch verpflichtet alle Mitgliedstaaten, Telefon- und E-Mail-Verbindungsdaten für eine Zeit zur Kriminalitätsbekämpfung zu speichern. In der schwarz-gelben Koalition wird seither diskutiert: Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) unterstützt im Gegensatz zur Justizministerin prinzipiell die Vorratsdatenspeicherung. Bei bestimmten Fällen schwerster Kriminalität besonders im Internet ließen sich ohne diese Möglichkeit Straftaten nicht aufklären, sagte de Maiziere am Montag im Video-Chat bei tagesschau.de.

Polizeigewerkschaft

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisierte am Dienstag das Verbot der Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht habe dadurch die Polizei im Kampf gegen kriminelle Banden an Händen und Füßen gefesselt, erklärte deren Bundesvorsitzender Rainer Wendt. Das Erkennen und Verfolgen von Seriendelikten und die Aufklärung schwerer Straftaten werde künftig nicht nur erschwert, sondern schlicht unmöglich werden. (APA)