Beim Streit um neue Ökosteuern sind die Koalitionsparteien einander nicht grün. Die SPÖ lehnt das neue Steckenpferd der ÖVP vor allem mit einem Argument ab: "Abgecasht" würden dabei die "sozial Schwächsten".
Abgesehen von Geld fürs Budget sollen Ökosteuern eines bringen: mehr Sparsamkeit beim Verbrauch von Benzin, Heizöl, Strom & Co, indem diese potenziell umweltschädlichen Güter verteuert werden. Die Österreicher hätten da Nachholbedarf, meinen Experten - etwa punkto Autofahren. Mehr als die Hälfte der Personen steige schon ab einer Strecke von zwei Kilometern in den Privat-Pkw, sagt Umweltökonom Stefan Schleicher: "Ein Spitzenwert innerhalb der EU."
Doch wird Autofahren damit, wie die SPÖ suggeriert, zum Vergnügen der Reichen? Kommen die Armen überproportional zum Handkuss? Was eine Erhöhung der Mineralölsteuer betrifft, sind die Fakten nicht so eindeutig. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) besitzen 60 Prozent der Haushalte des untersten Einkommensviertels kein Auto, der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zählt beim obersten Viertel vier Mal so viele Pkw-Kilometer wie beim untersten. Die höheren Einkünfte kompensieren freilich die Kosten, weshalb die Mineralölsteuer die Mittelschicht im Verhältnis am stärksten belastet: Das mittlere Drittel gibt 4,1 Prozent des Einkommens für Treibstoff aus, das untere 3,8 Prozent, das obere 3,2 Prozent.
Deutlich regressiv - verhältnismäßig höhere Belastung für die unteren Einkommen - wirken hingegen Steuern, die Heizkosten nach oben schrauben. Im untersten Viertel der Haushalte gehen 5,8 Prozent der Konsumausgaben für Wohnenergie drauf, im obersten Viertel nur vier Prozent.
Unterm Strich bleibt: Den Anspruch, jene Schichten stärker zu belasten, die mehr leisten können, erfüllen Ökosteuern nicht - zumindest nicht in der simplen Variante. Man könne die Sache aber auch "subtiler" angehen, sagt Schleicher, um so beide Effekte zu erreichen: Ökologische Anreize und gerechte Verteilung.
Etwa ein Viertel der neuen Einnahmen müsste die Regierung für Entlastungen ausgeben, empfiehlt der Grazer Uniprofessor - für den Finanzminister würde immer noch ein ordentliches Körberlgeld rausspringen. Beispiel Verkehr: Ein Mineralölsteuerplus von 10 Cent könnte mit einer Senkung der motorbezogenen Versicherungssteuer abgegolten werden. Wer weniger als die durchschnittlichen 12.000 Kilometer im Jahr abspult, könnte sich sogar etwas ersparen, rechnet Schleicher vor. Vielfahrer würden draufzahlen.
Für Arbeitnehmer, die aufs Auto angewiesen sind, könnte die Pendlerpauschale ab einem Weg von 20 Kilometern erhöht werden. Jedoch sollte ein Teil in "Naturalien", etwa einer verbilligten Netzkarte, ausbezahlt werden, um zum Umstieg auf Öffis zu motivieren.
Pendler aus dem Speckgürtel
Allerdings ist nicht jeder, der Pendlerpauschale kassiert, armer Bauarbeiter aus dem Südburgenland. Die recht üppige Leistung, meinen Experten, ermutige Gutverdiener geradezu, sich in den Speckgürteln der Städte anzusiedeln. Laut einer Studie des VCÖ verdient fast jeder dritte Bezieher mehr als 40.000 Euro brutto im Jahr. Ab dieser Einkommensgrenze könnte man die Pauschale streichen, um zu Bedürftigeren umzuschichten, meint VCÖ-Sprecher Christian Gratzer. Der Regierung würde die Entlastung der Pendler so keinen Cent mehr kosten.
Langfristig helfen würden Niedrigverdienern der Ausbau der Öffis, meint Angela Köppl vom Wifo, aber auch Infokampagnen, etwa zum Thema Energiesparen. "Jeder hat Spielraum, sein Verhalten anzupassen", sagt sie und verweist auf Deutschland. Auch wenn die dortige Ökosteuer den Verkehr nur schwach gedämpft haben mag - in Österreich ist er weiter gewachsen. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.4.2010)