Elisabeth Markstein, die Tochter von Hilde und Johann Koplenig gehört in den Jahren des Moskauer Exils zu den berühmten Lux-Kindern.

Foto: Markstein

Elisabeth Markstein wurde vor allem durch ihre Übersetzung von Solschenizyns "Archipel Gulag" berühmt. Nun hat sie ihre Memoiren vorgelegt. In "Moskau ist viel schöner als Paris" erzählt sie ihre bewegte Lebensgeschichte im Spannungsfeld politischer und ideologischer Auseinandersetzungen des vorigen Jahrhunderts. Als Tochter der Kommunisten Johann und Hilde Koplenig wuchs Markstein im berühmten Lux-Hotel in Moskau auf, in dem in den Dreißiger Jahren die Mitglieder der Kommunistischen Internationale mit ihren Familien untergebracht waren.In ihrer Gemeindebauwohnung im 22. Bezirk ("Der Gemeindebau ist genauso alt wie ich, Baujahr 1929") erzählt Markstein von Migrationen und Heimaten.

daStandard.at: Der Untertitel Ihrer Memoiren lautet "Leben zwischen zwei Welten". Sind es nicht eigentlich mehr als zwei Welten, in denen Sie sich bewegt haben und noch immer bewegen?

Elisabeth Markstein: Es stimmt schon, ich habe nicht nur in Russland und Österreich gelebt, sondern auch eine Zeitlang in Texas und drei Jahre in Prag, wo mein Mann als Reporter gearbeitet hat. Auch das Jüdische in mir ist eine eigene Welt, aber aus irgendeinem Grund habe ich es nicht geschafft, darüber zu schreiben. Im Prinzip bin ich aber Österreich und Russland verbunden, ich habe also zwei Heimaten. Wobei die Verbindung zu Russland schwächer wird, weil ich keine Freude daran habe, was dort politisch passiert. 

Es ist schwer zu erklären. Ich höre jeden Tag russisches Radio, das interessiert mich sehr. Natürlich nicht das offizielle Radio, sondern die zwei Radiosender, die gegen die Regierung berichten. Also insofern bin ich noch sehr mit Russland verbunden, es interessiert und bewegt mich, was dort passiert, und es ist für mich ganz arg, wohin das jetzt wieder geht. 

Ist für Sie das politische Engagement ebenfalls eine Art Heimat, die Sie weltweit vorfinden?

Markstein: Ja natürlich, ich habe überall Anschluss gefunden auch über politische Kanäle. In Prag war es eine Identifizierung mit der Anti-Nowotny-Bewegung vor dem Prager Frühling, und in Russland die Zusammenarbeit mit antistalinistischen Kräften.

Welche Rolle hat das Judentum in Ihrem Leben gespielt?

Markstein: In meiner Jugend war das überhaupt kein Thema. Ich habe gewusst, dass meine Mutter Jüdin ist, aber das war es dann auch schon. Später, als man alles über den Holocaust erfahren hat, war dann eine Solidaritätsempfindung da. Und das führte dazu, dass meine drei Töchter sehr stark jüdisch und gegen den Waldheim waren. Auch meine Enkelkinder sind eigentlich bewusst jüdisch.

Sie haben vielfach Erfahrung mit Migration und Reisen gemacht. Dennoch merkt man bei der Lektüre Ihrer Memoiren, dass Sie ein sehr verwurzelter Mensch sind. Wie haben Sie das geschafft?

Markstein: Damals war ich noch ein Kind, als wir in die Sowjetunion gezogen sind. Später gab es auch andere Auslandsaufenthalte, aber da musste ich mich nicht wirklich einleben. Wurzeln geschlagen habe ich dann wieder in Wien. Ich war später dann auch oft in Russland, aber da ging es darum, mit Dissidenten zusammenzuarbeiten, Manuskripte herauszuschmuggeln. Es war nicht mehr ein verwurzeltes Dasein.

Was denken Sie über die aktuelle Integrationsdebatte in Österreich und in Europa?

Markstein: Ich mache mir viele Gedanken darüber, aber ich sehe eigentlich keine Lösung. Das Multikulturelle ist ein schöner Gedanke, aber er greift nur bei denen, die sich dafür auch interessieren, die das auch wollen. Das Problem ist, dass die Menschen in den Siebziger Jahren aus der Türkei und vom Balkan zum Arbeiten geholt wurden, aber kein Mensch hat sich damals überlegt, wie man für diese Leute eine Heimat schaffen kann. Und ich meine nicht nur das Wohnen, sondern das Leben in der Gesellschaft, die Schulen zum Beispiel. Dass man die Menschen zum Arbeiten geholt hat, war eine rein monetäre, wirtschaftliche Entscheidung.

Warum haben Sie erst jetzt ein Buch geschrieben?

Markstein: Axel Corti, mit dem ich manchmal zusammengearbeitet habe, hat mich immer gedrängt, meine Erinnerungen an Moskau und an das Hotel Lux niederzuschreiben. Aber ich habe immer zu ihm gesagt, später, später. In den letzten Jahren habe ich Ruhe gehabt, ich war in Pension, mein Mann war auch in Pension. Nachdem meine zwei Töchter gestorben sind, war auch der Wunsch da, den Enkeln etwas zu hinterlassen.