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John Paul Stevens (90) geht im Sommer in Pension. Barack Obama sondierte Mittwoch bei Senatoren das Terrain für seine Nachfolge.

Foto: AP/J. Scott Applewhite

Washington/Wien - Barack Obama muss dieser Tage viel reden. Ein knappes Dutzend Kandidaten für das Richteramt beim US-Höchstgericht machen ihm seine Aufwartung. Daneben sondierte er am Mittwoch das politische Terrain bei Kongressabgeordneten beider Parteien, die seiner Nominierung zustimmen müssen.

Der US-Präsident braucht Ersatz für den am Dienstag 90 Jahre alt gewordenen Richter John Paul Stevens, der sich im Sommer in den Ruhestand zurückziehen möchte. Stevens gilt als ein liberaler Geist, der klare moralische Positionen vertritt und dazu die Sprache einfacher Leute verstehen und auch sprechen kann. Obama wolle einen Nachfolger von ebensolcher intellektueller Statur, berichten die US-Blätter. Dazu müsse der oder die neue Richterin beim Supreme Court imstande sein, Brücken zum Lager der ideologischen Gegner im Gericht zu schlagen und Kompromisse zu bilden. Derzeit steht es fünf zu vier für die Konservativen in dem Richtergremium.

Bereits im vergangenen Jahr besetzte Obama einen Richterposten mit Sonia Sotomayor, der ersten Latina im Supreme Court. Sie kam relativ problemlos durch die Hearings im US-Senat. Auch diesmal könnte es wieder eine Frau sein. Mehr als die Hälfte der Personen, die der Präsident in Erwägung zieht, sind weiblich.

Elena Kagan zum Beispiel ist derzeit Generalstaatsanwältin und war Dekanin der Havard Law School und Rechtsberaterin von Präsident Bill Clinton. Gute Chancen haben unter anderem auch die derzeitige Heimatschutzministerin Janet Napolitano, die Chicagoer Rechtsprofessorin Diane Wood, die Gouverneurin von Michigan Jennifer Granholm, die Richterin Leah Ward Sears aus Georgia oder Martha Minow, Obamas ehemalige Professorin in Harvard und gegenwärtig Dekanin der Rechtsfakultät dort.

"Real world experience"

Bei der Auswahl spielen neben Geschlecht und ideologischer Verortung auch geografische Herkunft und Religionsbekenntnis eine Rolle. Dazu gibt es unter den Demokraten diesmal auch viele Stimmen, darunter jene von Ex-Präsident Clinton, die für jemand mit politischem Hintergrund eintreten - "real world experience", nicht nur juristischer Sachverstand sei gefragt. Das würde Napolitano und Granholm favorisieren. Aus dem Weißen Haus wird auch berichtet, dass Kagan, Wood und Merrick Garland, ein Richter am US-Berufungsgericht in Washington, hoch im Kurs stünden.

Obwohl Obama im Senat über eine solide Mehrheit von 59 Stimmen verfügt und damit weitgehend freie Hand in seiner Entscheidung hat, wird eine scharfe ideologische Auseinandersetzung erwartet, wenn der Präsident seinen Nominierten Mitte Mai vorstellen wird.

Die Republikaner werden sich laut Analysten die Gelegenheit nicht entgehen lassen, gegen Kandidaten mit klaren Ansichten etwa über Abtreibungs- oder Waffenrecht zu trommeln. Obamas Stabschef Rahm Emanuel, ein früherer demokratischer Kongressabgeordneter und nicht eben dafür bekannt, die Dinge mit Samthandschuhen anzufassen, erwartet eine "riesige, riesige Schlacht".

Vergangenen Sommer ging die Abstimmung für Sotomayor mit 68 zu 31 Stimmen aus. Diesmal wird es um einiges knapper werden. Soviel stand schon fest, bevor der Mehrheitsführer im Senat Harry Reid, der Justizausschusschef Patrick Leahy (beides Demokraten) und die beiden Republikaner Mitch McConnell und Jeff Sessions bei Obama vorstellig wurden. (pra/DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2010)