Die Gaswirtschaft ist eine der wenigen Branchen, wo der Plan noch etwas gilt, der Markt hingegen wenig bis nichts zählt. Als in den 1960er-Jahren die ersten Pipelines von Russland gen Westen gebaut wurden, wollte Moskau Garantien, die hohen Kosten durch den langfristigen Verkauf von Gas wieder zurückverdienen zu können. Auf der anderen Seite wollten die Importeure, meist große Ölfirmen, eine Rückversicherung, dass Gas nicht irgendwann Öl als interessantere Alternative ablöst. Herausgekommen sind Langfristverträge mit Ölpreisbindung.

Wenn die Branche nun versucht, weiter Planwirtschaft zu spielen, ist das eine Verkennung der geänderten Verhältnisse am Markt. Über Europa hat sich eine Gasblase gebildet. Die Rezession hat die Blase vergrößert, sie ist nicht alleinige Ursache für das schon länger bestehende Überangebot an Gas. Durch neue Bohrmethoden ist es gelungen, sogenanntes Schiefergas zu attraktiven Bedingungen zu gewinnen. Zudem drängt mehr und mehr Flüssiggas auf den Markt, das unabhängig von Pipelines Abnehmer in Europa findet. Ein Hauch von Marktwirtschaft liegt in der Luft.

Das ist gut so. Große Abnehmer aus der Industrie haben ihren Lieferanten bereits deutlich günstigere Gasbezüge abgetrotzt. Noch besser wäre es, wenn auch Haushalte und Gewerbe profitieren könnten. Die Gasversorger und ihre Vorlieferanten scheinen aber noch immer Angst vorm Markt zu haben. Diese Angst sollten wir ihnen austreiben. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.4.2010)