"Es bringt nichts, wenn wir uns in den Sack lügen und sagen: Es gibt einen offenen Hochschulzugang", so die frühere Vizerektorin der Donau-Uni Krems (DUK).

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Wien - Das Fehlen von Studiengebühren und Auswahlverfahren macht noch keinen freien Hochschulzugang, betont Ada Pellert, Präsidentin der Berliner Weiterbildungsuniversität. Immerhin gebe es in Österreich noch immer zu viel soziale Selektion und zu wenige Abschlüsse. Internationale Vergleiche zeigten unterdessen, dass alle Hochschulsysteme mit guter sozialer Durchmischung und hohen Absolventenraten ihre Studenten selektieren, betonte Pellert, die am Montag bei einer Veranstaltung der Fachhochschulkonferenz (FHK) einen Vortrag zur Ist-Situation des österreichischen Hochschulsystems hält.

"Das heißt aber nicht, dass es in diesen Staaten weniger Studenten gibt", hob Pellert hervor. Selbst in den USA und anderen wirtschaftsliberalen Ländern, wo zusätzlich noch hohe Studiengebühren bezahlt werden müssen, gebe es dank Stipendien und Darlehen eine bessere Durchmischung als in Österreich. "Es bringt nichts, wenn wir uns in den Sack lügen und sagen: Es gibt einen offenen Hochschulzugang", so die frühere Vizerektorin der Donau-Uni Krems (DUK).

"FH-Studenten gar nicht so unglücklich über Aufnahmesituation"

An den Fachhochschulen (FH) seien die Studenten etwa "gar nicht so unglücklich über die Aufnahmesituation", betonte Pellert, da jenem Drittel der Bewerber, das aufgenommen wird, Wertschätzung entgegengebracht werde. Selektion müsse aber immer gekoppelt sein mit dem Willen, mehr Studenten aufzunehmen. Pellert ortet allerdings in Österreich einen "stillen Konsens in Richtung Zweifel an der Notwendigkeit der Steigerung der Akademikerraten", Massenuniversität habe hier noch immer einen negativen Beigeschmack.

Kritik an Misstrauen zwischen FH und Uni

Pellert sieht noch weitere Probleme in der heimischen Hochschullandschaft: So gebe es derzeit die Uni mit ihrem quasi offenen Zugang einerseits und die stark selektiven FH und Pädagogischen Hochschulen (PH) andererseits. Das ist aus ihrer Sicht "keine gute Ausgangsbasis" für eine verstärkte Vernetzung dieser Einrichtungen bzw. für die Abgleichung der Ziele. Erschwerend komme hinzu, dass sich die - zumindest auf Master-Niveau - stark wissenschaftlich orientierten Unis und die praxisnahen FH "vorurteilsbehaftet gegenüber stehen".

Dass es Uni, FH und PH mit ihren unterschiedlichen Aufgaben und Profilen gibt, sei wichtig. Allerdings müsse man genauer definieren, wer was macht: "Wir brauchen eine verstärkte Debatte über die Rahmenbedingungen der einzelnen Einrichtungen", so Pellert. Die FH seien zwar prinzipiell auf Berufsausbildung und die Unis auf wissenschaftliche Berufsvorbildung ausgerichtet, durch die Einführung der Bologna-Struktur mit Bachelor und Master "müssen wir hier aber genauer werden".

Mit den PH zeigte Pellert "Mitleid": Diese müssten unter "wahnsinnig schwierigen Rahmenbedingungen arbeiten", da sie zwar durch die Umwandlung von Akademien in Hochschulen einen Forschungsauftrag dazubekommen hätten, allerdings weder das Dienstrecht noch die Ressourcen verbessert worden seien.

"Mangelndes Bewusstsein für lebenslanges Lernen"

Mangelndes Bewusstsein gibt es in Österreich laut Pellert im Bereich lebenslanges Lernen: Dieses werde oft als Weiterbildung von Akademikern missverstanden, obwohl es dabei auch um so "brennende Fragen" wie die Ausbildung von Schulabbrechern gehe.

Mängel im Umgang mit Bachelor und Master

Auch beim Umgang mit Bachelor und Master gebe es in Österreich Mängel: "Wenn man ein gutes Bachelor-Studium aufstellt, gibt es auch Abnehmer für die Absolventen", betonte sie. Dass die Mehrheit in Österreich gleich ein Masterstudium anschließt, ist aus Pellerts Sicht ein Fehler. Dahinter stecke noch immer die Idee, dass man nach dem Studium einen Posten finde und dort lebenslang bleibe. Tatsächlich gebe es heute immer mehr Brüche im Berufsleben und den Zwang zur Weiterbildung. So werden im angelsächsischen Raum bereits 40 Prozent der Masterstudien berufsbegleitend absolviert. (APA)