Wien - Im Fall des in Wien am 13. Jänner 2009 auf offener Straße erschossenen Tschetschenen Umar Israilov steht eine Anklageerhebung wegen Mordes unmittelbar bevor. Beschuldigt werden drei in U-Haft befindliche Männer: Otto K. - ein Tschetschene, der einen österreichischen Namen angenommen hat -, Turpal Ali J. und Muslim D. sollen an dem Attentat und den Vorbereitungen dafür beteiligt gewesen sein.

"In einigen Wochen" werde die Anklage fertig sein, bestätigt Gerhard Jarosch, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, einen Bericht der New York Times. Der vierbändige Abschlussbericht der Ermittlungen sei dem zuständigen Staatsanwalt "vor kurzem" ausgehändigt worden. Auch im Verfassungsschutzbericht 2010 wird die Causa erwähnt.

Jarosch bestätigt zudem, dass ein Handykontakt zwischen Beschuldigtem Otto K. und Shaa Turlayev, einem Vertrauten des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrov, aktenkundig ist. Laut New York Times, die sich auf eine anonym bleibende Person beruft, fand das 93 Sekunden lange Telefonat Minuten nach der Schussabgabe auf den 27-jährigen politischen Flüchtling statt.

Die von Israilovs Hinterbliebenen vertretene Ansicht, dass das Attentat politisch motiviert war, dürfte dies bestärken. Doch laut Jarosch ist es "auch möglich, dass das Attentat eine Abrechnung in der tschetschenischen Community in Wien war". "Hier muss Justitia blind sein", sagt der Staatsanwaltsprecher.

Fest steht, dass Israilov 2006 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde gegen Kadyrov wegen Menschenrechtsverletzungen eingelegt hatte. Er selbst war einst Leibwächter Kadyrovs gewesen, hatte sich jedoch gegen ihn gestellt und war von dessen Leuten gefoltert worden. Im Juni 2008 hatte ein Tschetschene vor den österreichischen Asylbehörden von einer 300 Namen umfassenden Todesliste gesprochen. Israilovs Namen stünde darauf. Obwohl sich dieser in Wien daher nicht mehr sicher fühlte, wurde ihm von den Polizei kein Personenschutz gewährt. (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 27.4.2010)