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Wenig Sympathie für Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein.

Foto: EPA

Lloyd Blankfein klang schon zerknirscht, bevor er sich an den grün bespannten Tisch des Senatsausschusses setzte. Der 16. April, der Tag, an dem die US-Börsenaufsicht Klage gegen sein Haus erhob, ließ er in einer Erklärung wissen, "war einer der schlimmsten Tage meines Berufslebens" . Goldman Sachs, fügte der Banker hinzu, sei seit 140 Jahren eine Firma, die ihre Kunden in den Mittelpunkt stelle. "Und wenn unsere Kunden glauben, dass wir ihr Vertrauen nicht verdienen, dann können wir nicht überleben." Viele Amerikaner, schrieb er ein wenig sperrig, sähen mit Skepsis, was Investmentbanken für die Wirtschaft leisten.

Der König einer Branche, die wieder Rekordgewinne feiert, findet sich auf einmal in der Rolle des Prügelknaben wieder. Der Ermittlungsausschuss des US-Senats lud ihn am Dienstag als Zeugen, nach offizieller Lesart, um zu prüfen, welche Rolle die Wall Street in der Krise spielte.

Tatsächlich ging es eher darum, ein Exempel zu statuieren, mit einem exotisch anmutenden Produkt namens Abacus 2007-AC1 als Fallstudie. Die Rede ist von einem synthetischen CDO, einer Schuldverschreibung, die auf hypothekengedeckten Wertpapieren beruht. Ein Kunde kauft die Papiere, während ein zweiter darauf wettet, dass sie an Wert verlieren. Bei Abacus wurden sie vor allem an die deutsche Mittelstandsbank IKB verkauft, während der Hedgefondsmanager John Paulson auf ihren Absturz wettete.

Dass die Börsenaufsicht klagt, liegt nicht an der generellen Geschäftsidee, sondern an konkretem Betrugsverdacht. Paulson soll mitbestimmt haben, was in den Korb kam. Ramschpapiere, gegen die er leichtes Spiel hatte. Für die Politik ist es ein Paradebeispiel: Hier die Gier der Wall-Street-Jongleure, dort der Schaden, den seriöse Investoren erlitten. Und mit ihnen die Welt der Normalverbraucher. Es ist die Begleitmusik zum Ringen um eine Finanzmarktreform, die Barack Obama durchboxen will. Die Demokraten möchten beweisen, dass sie es diesmal ernst meinen, nachdem sie sich monatelang anhören mussten, dass auch sie im Duell mit dem großen Geld schnell den Schwanz einziehen.

So wedelt der Ausschussvorsitzende Carl Levin, ein Parlamentsveteran aus der gebeutelten Autostadt Detroit, gern mit einem Ordner, in dem ein Stapel belastender E-Mails abgeheftet ist. Etwa die Notiz eines Goldman-Brokers vom Oktober 2007. Er habe ein "wirklich schlechtes Gefühl" wegen einiger Geschäfte mit europäischen Kunden. Pikiert spricht Levin von einem "gigantischen Casino", in dem man keine Werte mehr schuf, sondern nur noch spielte. In deutlichen Worten erinnert er die Bank daran, dass sie den Strudel der Finanzkrise nur überlebte, weil ihr der Steuerzahler einen Rettungsring zuwarf, zehn Milliarden Dollar. Und davor habe sie vier Milliarden Dollar verdient, indem sie auf den Absturz des Immobilienmarkts wettete, gleichsam gegen die Interessen des Steuerzahlers.

Für Blankfein ist es normale Praxis, das Risiko zu streuen. Dass er plötzlich als Missetäter hingestellt wird, verstehe er einfach nicht, sagen Eingeweihte. Zumal er kein protzender Angeber ist, nicht mit Yachten und Privatjets prahlt.

Als Henry Paulson 2005 als Finanzminister ins Kabinett Bush wechselte, beerbte ihn Blankfein an der Spitze des Unternehmens. Vier Jahre später sagte er, im Interview mit der Sunday Times, einen Satz, über den er sich noch heute ärgern dürfte. Banker, merkte er an, halb ernst, halb ironisch, "Banker verrichten Gottes Werk". (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printausgabe, 28.4.2010)