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Hisbollah-Abgeordnete Hassan Fadlallah verkündete eine weitere Aufrüstung der Hisbollah.

Foto: AP/Hussein Malla

Beirut - Israel und die USA beschuldigen den Iran und Syrien, die schiitische Hisbollah im Libanon massiv aufzurüsten. "Aus unserer Sicht versorgen Syrien und der Iran die Hisbollah mit Raketen und Flugkörpern mit immer besserer Technologie", sagte US-Verteidigungsminister Robert Gates am Dienstag (Ortszeit) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem israelischen Ressortkollegen Ehud Barak in Washington. Barak versicherte, sein Land habe kein Interesse daran, auf Kollisionskurs zum Libanon zu gehen, doch gefährde Syrien das sensible Kräftegleichgewicht, indem es die Hisbollah mit Waffensystemen versorge.

Mehr Raketen "als die meisten Regierungen auf der Welt"

Die von Israel und den USA als Terrororganisation eingestufte Hisbollah besitze inzwischen weit mehr Raketen "als die meisten Regierungen auf der Welt", meinte Gates. Israels Präsident Shimon Peres hatte Syrien beschuldigt, die in der libanesischen Allparteienregierung vertretene Bewegung mit Scud-Raketen zu versorgen. Gates sagte nicht, ob es sich nach seinen Erkenntnissen um diesen Raketentyp handelt.

Nachdem der syrische Geschäftsträger ins US-Außenministerium zitiert worden war, hatten hohe US-Geheimdienstvertreter erklärt, dass es für die israelischen Anschuldigungen derzeit keine Anhaltspunkte geben würde. Außenministerin Hillary Clinton hatte betont, dass Washington am Ziel einer Verbesserung der Beziehungen zu Damaskus festhalten wolle. Nach fünfjähriger Unterbrechung schicken die USA wieder einen Botschafter nach Syrien.

EU ruft zu Zurückhaltung auf

Die Europäische Union hat inzwischen alle Parteien aufgerufen, "jegliche Provokationen zu vermeiden". Die EU sei durch die jüngsten öffentlich ausgetauschten Erklärungen beunruhigt, hieß es in einer Stellungnahme von EU-Außenministerin Catherine Ashton. Diese Äußerungen würden den Bemühungen der Europäischen Union und ihrer Partner um Förderung des Friedensprozesses im Nahen Osten zuwiderlaufen. Der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri hatte am Montag in Telefonaten mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel Klage über "israelische Drohungen gegen den Libanon" geführt.

Am Dienstag sagte Hariri nach einem Treffen mit Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak in Sharm el-Sheikh: "Wir haben die jüngsten israelischen Drohungen genau im Blick. Diese unbegründeten Anschuldigungen, dass der Libanon über Syrien Scud-Raketen erhalten hätte, sind der Versuch, einen Vorwand für einen möglichen Krieg gegen den Libanon zu finden."

Nach Angaben der ägyptischen Regierung hat Außenminister Ahmed Abul Gheit seine Besorgnis über die verbale Eskalation ausgedrückt und die US-Regierung aufgefordert, "den Konflikt zu entschärfen", um eine neue militärische Konfrontation abzuwenden. Abul Gheit hatte die israelischen Berichte über syrische Scud-Lieferungen an die Hisbollah als "Lüge" bezeichnet. Die syrische Regierung hatte erklärt, Israel beabsichtige, die gefährlichen Spannungen weiter zu verschärfen und eine für seine "Angriffspläne" günstiges Klima zu erzeugen.

Israels Premier Benjamin Netanyahu und Barak hatten mehrfach erklärt, Israel könne nicht tolerieren, dass ein Nachbarland, das UNO-Mitglied ist, in seiner Regierung "Vertreter einer Miliz sitzen hat, die über 40.000 Raketen verfügt". Sollte es von der Hisbollah wie 2006 angegriffen werden, werde Israel seine "ganze militärische Macht gegen die Infrastrukturen des libanesischen Staates" einsetzen.

Sleimane beschuldigt Israel

Der libanesische Staatspräsident Michel Sleimane hat Israel beschuldigt, einen neuen Konflikt provozieren zu wollen, um sich "dem Druck der USA und Europas entziehen" zu können. Mit dem "Märchen" von syrischen Scud-Lieferungen wolle Israel eine Rechtfertigung für eine neue Aggression gegen den Libanon fabrizieren, erklärte Sleimane, der vor seiner Wahl zum Staatsoberhaupt Armeekommandant gewesen war, während seines Staatsbesuches in Brasilien. "Ein Krieg gegen den Libanon ist keine Kleinigkeit, und Israel weiß das. Wenn Israel den Krieg will, wird es auf einen verteidigungsbereiten Libanon treffen", betonte Sleimane. Im Sommer 2006 hatte die Hisbollah mit der Gefangennahme von zwei israelischen Soldaten und dem Raketenbeschuss Nordisraels eine 34-tägige israelische Offensive provoziert. Aus dem Konflikt mit mehr als 1200 libanesischen und 160 israelischen Toten ging die Schiiten-Organisation politisch gestärkt hervor.

Der Hisbollah-Parlamentsabgeordnete Hassan Fadlallah hob gegenüber der Beiruter Zeitung "As-Safir" die Entschlossenheit seiner Organisation hervor, weiter aufzurüsten und den "Widerstand" gegen Israel zu stärken: "Unsere Wahl ist, immer mehr Waffen zu haben für den Widerstand". Es gebe einen deutlichen Unterschied zwischen Waffen, die "verteidigen, schützen und befreien", und solchen, die "für Invasion, Okkupation und Aggression" eingesetzt würden. Im libanesischen Regierungsprogramm, das vom Parlament nahezu einstimmig gutgeheißen worden war, ist das von der Hisbollah beanspruchte Recht auf bewaffneten "Widerstand" gegen Israel verankert. (APA)