Athen/Brüssel/Berlin/Wien - Nachdem sich die Schuldenkrise in der Eurozone wegen der Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands, Portugals und Spaniens durch die Ratingagenturen noch verschärft hat, laufen die Anstrengungen auf internationaler Ebene, das verschuldete Griechenland vor einer Staatspleite zu bewahren und eine Kettenreaktion unter Euro-Ländern zu verhindern am Donnerstag auf Hochtouren. Laut EU-Währungskommissar Olli Rehn kommen die Verhandlungen gut voran. "Ich bin zuversichtlich, dass die Gespräche in den nächsten Tagen abgeschlossen werden können", sagte Rehn am Donnerstag in Brüssel.
Griechisches Budgetloch muss kleiner werden
Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) erwarten von Athen eine deutliche Verkleinerung seines Budgetlochs bis Ende 2011. Athen solle seine Staatsverschuldung auf Verlangen von EU und IWF in diesem und dem nächsten Jahr um insgesamt zehn Prozent verringern, sagte ein griechischer Gewerkschaftsvertreter, der anonym bleiben wollte, am Donnerstag nach einem Treffen mit Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou in Athen. Verlangt würden von Athen Einsparungen in Höhe von 25 Mrd. Euro.
Zudem machen EU und IWF dem südosteuropäischen Land eine Kürzung der Gehälter im öffentlichen Dienst zur Auflage, wie der Gewerkschaftsvertreter weiter sagte. In Verhandlung sei der Wegfall des 13. und 14. Monatsgehalts für Staatsangestellte und Kürzungen für Pensionisten. Aus Teilnehmerkreisen hieß es nach dem Treffen mit Papandreou zudem, dass eine Anhebung der Mehrwertsteuer um ein bis zwei Prozentpunkte im Gespräch sei.
Verhandlungen über Umfang
Über den Gesamtumfang der Notkredite für Griechenland wird nach wie vor verhandelt - bisher hieß es, Griechenland brauche 45 Mrd. Euro für 2010. Der deutsche Wirtschaftsminister Rainer Brüderle erklärte, Griechenland brauche insgesamt 135 Mrd. Euro bis 2012. Auf Deutschland könnten demnach 25 bis 30 Mrd. Euro zukommen. Die Euro-Länder müssen den Hilfen noch zustimmen, voraussichtlich bei einem Sondergipfel am 10. Mai.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) versuchte die deutschen Steuerzahler zu beruhigen: Er gehe davon aus, dass Griechenland das geliehene Geld zurückzahlen werde. "Wir hoffen, dass es gar nichts kostet, weil das nicht um Steuergelder gehen wird, sondern es geht um die Zurverfügungstellung eines Kredits, damit Griechenland auch weiterhin zahlungsfähig bleibt." Mit der Unterstützung für Athen werde "die Stabilität des ganzen Euroraums verteidigt", betonte Schäuble. Einen Domino-Effekt quer durch die Europäische Union nach dem griechischen Finanzfiasko und den Problemen Portugals und Spaniens erwartete er nicht.
Deutscher Beschluss nächste Woche
Für ein rechtzeitiges Hilfspaket der Euro-Länder und des IWF wird ein Beschluss der deutschen Regierung, des Bundestages und des Bundesrats über den deutschen Anteil nächste Woche erwartet. Für Griechenland wird am 19. Mai die Rückzahlung von rund 9 Mrd. Euro fällig.
Der deutsche Finanzminister sprach sich angesichts der Griechenland-Krise für eine "stärkere Vielfalt" bei den Ratingagenturen aus. Wahrscheinlich sei aber der Ansatz wichtiger, Ratingagenturen auf europäischer und internationaler Ebene stärker zu kontrollieren, sagte Schäuble am Donnerstag in Berlin. Er regte überdies an, ähnlich wie nach der Finanzkrise für systemrelevante Banken nun auch ein insolvenzähnliches Verfahren für Mitglieder der Währungsunion zu schaffen. Das müsse in der EU-Kommission geprüft werden.
Die deutschen Gläubigerbanken Griechenlands könnten indes doch noch zur Finanzierung des Rettungspakets herangezogen werden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa ist ein Umdenken der deutschen Bundesregierung - die das bisher abgelehnt hatte - möglich. Die Regierung will am Wochenende offenbar mit hochrangigen Vertretern deutscher Banken verhandeln. Man wolle versuchen, die Banken mit ins Boot zu holen, um das Milliardenrisiko für die Steuerzahler besser rechtfertigen zu können, hieß es aus entsprechenden Kreisen.
Österreich uneins
Die österreichische Politik ist uneins darüber, ob gegenüber Griechenland eine harte oder weiche Linie gefahren werden soll. Während FPÖ und BZÖ die Griechen am liebsten aus der Eurozone ausschließen würden - was Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) scharf zurückwies, verteidigte Pröll erneut die geplante Finanzhilfe für Griechenland. Falls es notwendig werde, mehr als 2 Mrd. Euro an Kredit zu gewähren, müsse das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz entsprechend geändert werden, kündigte der Finanzminister an.
Auch der Vizepräsidenten der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, hält nichts von einem Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone. Nach Ansicht des Grünen Finanzsprechers Werner Kogler darf man Griechenland jetzt nicht alleine lassen, für Hilfen sollte es aber wie in Deutschland einen Parlamentsbeschluss geben. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht durch die Ereignisse Österreichs Weg der Budgetsanierung bestätigt. "Wir müssen den Staatshaushalt rasch und tiefgreifend sanieren."
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl forderte heute neuerlich die Einrichtung einer europäischen Ratingagentur.
Von österreichischer Seite wird sich nicht nur der Finanzminister, sondern auch die Oesterreichische Nationalbank an Rettungsmaßnahmen für in Not geratene Staaten beteiligen und hat zu diesem Zweck dem IWF rund 4 Mrd. Euro zugesagt, die aber nicht für Griechenland allein sondern bestimmt sind: Man habe diese Zusage unabhängig von der Griechenland-Krise schon seit längerer Zeit geplant, heißt es seitens der OeNB. Der IWF hat Mitte April die Kapitalausstattung seiner Kredit-"Fazilitäten" verzehnfacht. Der Topf mit dem Namen "New Arrangements to borrow" (NAB) umfasst künftig 367,5 Mrd. Sonderziehungsrechte (SZR), umgerechnet gut 404 Mrd. Euro für alle Länder weltweit. (APA/Reuters/red)