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Wachsen soll die SPÖ unter der Ägide von Laura Rudas und Werner Faymann - so mancher Anhänger.
Wien - "Schmerzverzerrt denken wir zurück, was mit der Sozialdemokratie passiert ist": Die Einleitung des Moderators verheißt kein spaßiges Programm. Draußen bricht ein lauer Frühlingsabend an, im Fernsehen läuft ein Champions-League-Schlager, doch auf der schummringen Kellerbühne des Ost-Klubs haben sich drei Dutzend Unentwegte vorgenommen, das rote Universum zu retten. Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter ist einer Einladung der Initiative "Wir sind (auch) SPÖ" gefolgt - um sich, wie er augenzwinkernd anmerkt, "der revolutionären Basis" zu stellen.
Eine Ladung Frust entlädt sich über dem Abgeordneten. Wenn der SPÖ der Wille fehle, die Schlüsselministerien in der Regierung zu besetzen, kritisiert einer, "dann haben wir auch kein Anrecht, Ideen umzusetzen" . Eine junge Genossin meint: "Nicht einmal unsere Funktionäre wissen, wofür die SPÖ steht." Besonders zerpflückt wird die zu lasche Krisenpolitik: "Der Ball war vor dem leeren Tor aufgelegt - und wir haben vorbei geschossen."
Im Jubel der Massen, die am 1. Mai durch die Städte ziehen, würde das Grüppchen untergehen, dennoch ist das Lamento nicht untypisch. Viel Grant hat sich seit Faymanns Antritt als Kanzler vor gut einem Jahr angestaut, befeuert durch Wahlpleiten in Serie. Zwar nimmt das "Gesuder" (© Alfred Gusenbauer) kein solches Ausmaß an, dass der Parteichef eine Revolte fürchten muss, doch Nervosität macht sich allemal breit. Am Parteitag im Juni muss sich Faymann nicht bloß seiner Wiederwahl stellen, sondern sein sowjetisches Ergebnis aus dem Jahr 2008 von 98,36 Prozent verteidigen. Steht diesmal nur ein Achter vorne, könnte ihm der Makel der Schwäche anhaften.
Faymann sieht die Gefahr. Nach monatelangem Lavieren trat er die Flucht nach vorne an. Der ÖVP hat er eine Liste mit Steuerwünschen auf den Tisch geknallt - eine Herzensangelegenheit der roten Basis. Breite Teile in der SPÖ haben nie verstanden, warum der Kanzler in der Krise Bankern, Vermögenden & Co. nicht stärker ans Börsel will. Dem Koalitionspartner schien er schon windelweiche Kompromisse aufzudrängen, ehe dieser überhaupt am Verhandlungstisch Platz genommen hat.
"Einen Plan, wie Faymann das Land verändern will", vermissen viele Genossen schlichtweg. Aus Flickwerk bestehe seine Politik, die sich primär an einer Frage ausrichte: "Kann ich‘s der Öffentlichkeit verkaufen?" PR-Berater gebe es in seinem Umfeld "wie Sand am Meer, aber keinen strategischen Kopf", urteilt einer aus dem SPÖ-Präsidium - womit die Kritiker, vom Fußvolk bis zur Elite, beim kleinsten gemeinsamen Nenner angelangt sind: Dem Gemurkse der Bundesgeschäftsführer.
Günther Kräuter und Laura Rudas arbeiten in der Parteizentrale, gerne auch gegeneinander. Während der Steirer Kräuter mittlerweile als isoliert gilt, von wichtigen Infos abgeschnitten, sitzt die Wienerin Rudas am längeren Ast. Faymann hält nach wie vor große Stücke auf die 29-Jährige, sie soll den heiklen Parteitag organisieren. Dafür findet sich im Rest der SPÖ nur schwer jemand, der Rudas' Arbeit ehrlich verteidigt.
Von Freunderlwirtschaft bis zu taktischen Schnitzern reichen die Vorwürfe, von Inhaltsleere bis zu vergurkten Auftritten. Zuletzt gab es auch Wickel ums Geld: Oberösterreichs Parteichef Josef Ackerl verweigerte im Vorstand sein Ja zum Budget, weil ihm die Geschäftsführer die Parteischulden von drei bis vier Millionen nicht zielstrebig genug abbauten.
Schuss ins eigene Knie
Jüngstes Manöver, das Rudas angelastet wird, ist die Rochade im Stiftungsrat des ORF. Die schlecht vorbereitete Ablöse des routinierten Medienstrategen Karl Krammer durch den 23-jährigen Rudas-Vertrauten Niko Pelinka gilt vielen als Schuss ins Knie - und als moralischer Sündenfall, war Krammer im Wahlkampf doch Miterfinder von Faymanns erfolgreichem Fünf-Punkte-Programm.
In absehbarer Zukunft, so wird gemunkelt, könnte freilich die Parteimanagerin selbst am Personalkarussell sitzen. Die SPÖ-Zentrale solle neu besetzt und Rudas weggelobt werden - in eine Zukunft als Medienstaatssekretärin oder Frauenministerin. Doch Nachfolger sind schwer zu finden. Verteidigungsminister Norbert Darabos will nicht einspringen, Staatssekretär Andreas Schieder würde sich wohl nur dem Wunsch "seiner" Wiener SPÖ beugen.
Im Ost-Klub ist ebenfalls von Kurswechsel die Rede, mit Witz und Charme nimmt Matznetter den Kritikern Wind aus den Segeln. Auch Sozialdemokraten seien "neoliberalem Brainwashing" erlegen, doch nun sei die Wende voll im Gange. Mit ihren Steuerplänen werde sich die SPÖ "gegen die ÖVP durchsetzen", prophezeit Matznetter, dämpft aber überzogene Erwartungen: "Die revolutionären Massen werden nicht vor der Tür stehen." (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 30.4.2010)