Der "CeKa": Nach der Beschädigung durch Nato-Bomben wurde das Hochhaus 2005 wiedereröffnet.

Foto: derStandard.at

Im 24. Stockwerk befindet sich heute eine Kantine, von der aus man sowohl die Plattenbauten Neubelgrads...

Foto: derStandard.at

... als auch die Altstadt gegenüber überblickt.

Foto: derStandard.at

Von der Belgrader Feste Kalemegdan aus sticht "CeKa" im Abendlicht ins Auge.

Foto: derStandard.at

Im Zuge der Renovierung wurde eine Glasfassade angebracht.

Foto: derStandard.at

Bild nicht mehr verfügbar.

Am 21. April 1999 setzten Nato-Marschflugkörper das Gebäude teilweise in Brand.

Foto: Reuters

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Gebäudestruktur widerstand den Sprengsätzen aber.

Foto: Reuters

Bild nicht mehr verfügbar.

Nur mehr selten wird, so wie hier auf dem Archivbild vom orthodoxen Weihnachtsfest 2008, die Beleuchtung über Belgrad gestrahlt.

Foto: Reuters

Am Ende der Geschichte bleibt von der Vergangenheit nur ein Name übrig. Jedenfalls für Djordje, dem Belgrader Taxifahrer, der vor dem Hotel Moskwa Dienst schiebt. "Ušće?", fragt er und schnippt die Asche seiner Marlboro durch das geöffnete Fahrerfenster. "Meinen Sie das Einkaufszentrum?" Ein schneller Fingerzeig gen Westen, wo sich die Sonne langsam ihren rot leuchtenden Weg durch die Häuserschluchten der Trabantenstadt Neubelgrad bahnt, genügt, und Djordje weiß, wohin die Reise gehen soll. "Ah, zum CeKa!", ruft er und tritt ins Gaspedal.

"Ušće", was soviel wie Zusammenfluss bedeutet, ist der Name des wichtigsten Monuments der Tito-Ära in der Stadt, die früher Kapitale eines Landes war, das sich weder dem Westen noch dem Osten vollständig unterwerfen wollte. Obwohl das 141 Meter hohe Bürohaus von fast allen Teilen der serbischen Hauptstadt aus sichtbar ist, nennt es kaum ein Einheimischer bei seinem echten Namen. "CeKa", Akronym für Centralni Komitet, hat sich in den Köpfen der Belgrader festgesetzt. So lebt das alte System auch 19 Jahre nach seinem Ende weiter. Nicht nur für Taxifahrer Djordje. Keine zehn Autominuten vom geschichtsträchtigen Zentrum der serbischen Hauptstadt entfernt, auf der anderen Seite der Brankov-Brücke über die Save, weist keine Hinweistafel, kein Fremdenführer und keine Statue auf die Vergangenheit hin.

Die neuen Herren

Sowohl das Zentralkomitee als auch die Partei sind inzwischen Geschichte. Nicht einmal das Land, dessen Geschicke von dort aus gelenkt wurden, gibt es noch. Und Tito ist seit dreißig Jahren tot. Das Vakuum, das er hinterließ, erschütterte in Form von Nationalismus, Krieg und Umsturz die Grundfesten des Landes. Nur "CeKa" blieb stehen. Bis 2009 war der 2005 mit neuer Glasfassade wiedereröffnete Ušće-Tower das höchste Haus am ganzen Balkan. Heute wird es vom Avaz Twist in Sarajewo übertroffen.

Entsprechend dem Wandel in Jugoslawien - und in Serbien im Speziellen, liest sich die Liste der neuen Herren: IBM, Merrill Lynch, Hypo-Alpe-Adria. Und MPC, eine mächtige, nicht ganz unumstrittene Baufirma, die auch das hypermoderne Einkaufszentrum im Schatten des Turms errichtet hat. An keinem anderen Bauwerk in Belgrad lässt sich die jüngere Geschichte Serbiens so konsequent erzählen wie an dem 1964 errichteten Turm.

"CeKa" war ein Schlüsselbau der jugoslawischen Systemarchitektur. "Die Regierung hat Architekten in die USA und nach Westeuropa geschickt, damit sie möglichst viel über moderne Hochhäuser lernen. Tito wollte einen Wolkenkratzer wie in Chicago", sagt Historiker Djordje Stanković von der Universität Belgrad. In ihm sollten die Geschicke des Landes bestimmt werden. Der Bund der Kommunisten Jugoslawiens, wie die beherrschende Staatspartei von 1952 bis 1991 hieß, ließ dort ihr Zentralkomitee tagen. Auch die Teilrepubliken hatten im Turm ihre Vertretungen.

Fingerzeig Richtung Westen

So wie sich Jugoslawien als ganzes für einen Mittler zwischen Ost und West hielt, so verhielt es sich auch mit dem Haus. "CeKa" ist das einzige Hochaus in Belgrad, das im Internationalen Stil erbaut wurde. "Es war damals auch ein Fingerzeig in Richtung des Westens", sagt Stanković, der sich seit Jahren mit der Geschichte des Turms befasst. "Das Haus hat durch seine Höhe und seine Lage inmitten von Grünfläche genau das geschafft. Es war gleichzeitig Symbol für den Tito-Kommunismus und für den pro-modernistischen Zugang des Regimes."

"Dann ging das Geld aus"

Dabei hätten die ursprünglichen Pläne nicht viel von der bis weitgehend freien Fläche am Saveufer übrig gelassen. Neben dem Zentralkomitee und dem Pentagon-artigen Regierungssitz Jugoslawiens waren ein gutes Dutzend weiterer Repräsentations- und Verwaltungsbauten geplant. "Es war auch ein riesiges Revolutionsmuseum als Zentrum des neuen Belgrads geplant. Dann ging das Geld aus."

Gerüchte und Terrorplan

Gerüchte erzählen, der autoritäre Staatschef Tito selbst habe seinen Palast nie betreten. Ausländische Geheimdienste hätten dem "CeKa" nach Geschmack des Marschalls zu viel Aufmerksamkeit gewidmet. Ein ukrainisches Transportschiff, das keine zweihundert Meter vom Haus entfernt am Saveufer vertaut lag, habe als sowjetische Abhörzentrale fungiert, erzählt Historiker Stanković. Und um ein Haar wäre an den stählernen Mauern des "CeKa" das Schnittmuster des 9/11-Terrors schon 1978 vorweggenommen worden. In letzter Minute wurde damals der Plan des Tito-Gegners Nikola Kavaja vereitelt, mit einer entführten Boeing 747 von Chicago aus nach Belgrad zu fliegen, dort das "CeKa" zu rammen und den Staatschef zu töten. Die Verschwörung flog auf, Kavaja dafür lange Jahre in einem US-Gefängnis, 2008 starb er.

Während Neubelgrad heute in seiner Größe und Struktur ein wenig der Bratislaver Trabantenstadt Petrzalka ähnelt, steht der Usce-Turm alleine auf weiter Flur. Mit ein Grund, warum er seit dem Ende von Kommunismus und dem isolierten Milosević-Regime eine bemerkenswerte Wandlung durchschritten hat. Er ist einfach zu bekannt, um ihn links liegen zu lassen.

Zwölf "Tomahawks"

Seine symbolträchtige Wirkung verstand auch Slobodan Milosević zu nutzen. Dessen Sozialistische Partei Serbiens "erbte" nach dem Ende Jugoslawiens die freigewordenen Büros der Kommunisten. Der Abstieg des einstigen Epizentrum des Landes fand am 21. April 1999 sein Ende. Zwar konnten die zwölf Marschflugkörper, die von Kriegsschiffen der Nato-Allianz von der Adria aus auf das "CeKa" abgefeuert wurden, den Turm nicht zum Einsturz bringen.

Dass "CeKa" überhaupt zum Ziel der Bombardements wurde, versteht der Belgrader Politologe Cedomir Antić, damals in der Bewegung Odbor gegen das autoritäre Milosević-Regime aktiv, bis heute nicht:"Der Nato mangelte es an legitimen Zielen, deshalb wurden auch symbolische Ziele herangezogen. Das Haus beherbergte zwar auch (den Privat-TV-Sender, Anm.) Pink und Radio Kosava von Milosevics Tochter Marija, aber beide Sender nahmen kurz nach dem Angriff das Programm wieder auf."

Lichterspiele

2010 werden in den 25 Stockwerken keine politischen Schachzüge mehr ausgeheckt und die Security-Mitarbeiter filtern keine Spione mehr aus den Besuchern. "Stolz ist auf den Turm niemand mehr. Er ist ein Symbol für den Wandel vom Kommunismus zum Kapitalismus", sagt Antić. Früher erloschen in einigen der Büros abends die Lichter nicht, sodass der Name Titos am Belgrader Nachthimmel leuchtete, erzählt Geschichtsprofessor Stanković. Später, als Jugoslawien Geschichte war, waren es dann die vier "S" der Serben und das orthodoxe Kreuz.

Heute sei es anders. In der freien Marktwirtschaft sei für derlei Symbolik auch am ehemaligen "CeKa" kein Platz mehr. Da dreht der Letzte das Licht ab. (derStandard.at, 4.5.2010)