Wien - Der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer, hat heute in der "Pressestunde" des ORF-Fernsehens zur Griechenland-Krise Stellung genommen: "Wir sind optimistisch, dass der IWF zusammen mit den Europäern Griechenland dazu bringt, dass alle Schulden zurückgezahlt werden, aber garantieren kann das heute niemand", sagte er. Zum derzeitigen Zeitpunkt könne niemand seriös sagen, ob den Kreditgebern Geld verloren gehe oder nicht. Seiner Meinung nach werde Griechenland die Rückzahlung nur über eine Umschuldung schaffen, dabei müsse aber noch kein Geld verloren gehen. "Am Ende des Tages könnte auch ein Schuldenerlass passieren", das könne man aber erst nach zwei oder drei Jahren wissen.
Felderer: Österreich muss hoffen
Österreich würde die kolportierten zwei Milliarden Euro für seinen Beitrag zu den Griechenland-Krediten am Kapitalmarkt aufnehmen, dort lägen die Zinsen für Österreich derzeit nur knapp über jenen der Deutschen (+40 Basispunkte). Österreich müsste für das Kapital ca. 3,5 bis 4 Prozent für zehn Jahre zahlen und das Geld den Griechen weitergeben. Durch die Kredite der Euro-Länder und des IWF solle den Griechen wieder Zugang zum Kapitalmarkt verschafft werden, derzeit seien sie davon abgeschnitten. Dass Österreich durch die Zinsdifferenz sogar einen Gewinn machen könnte, will Felderer nicht betonen. "Ich würde nicht von Gewinn reden, sondern von der Hoffnung, dass man alles zurückkriegt."
Angesprochen auf eine befürchtete Ausbreitung der Krise auf andere "Club Med-Staaten" in Südeuropa meinte Felderer, die Downgradings von Portugal und Spanien durch die Ratingagenturen seien angesichts deren Wirtschaftsdaten für ihn unverständlich. "Jetzt Portugal dafür zu bestrafen, weil es im Jahr 2009 zehn Prozent Verschuldung hatte, ist schwer nachzuvollziehen", so der Wirtschaftsforscher, auch andere Staaten hätten Verschuldungen in dieser Höhe. Die Rating-Agenturen geben die Stimmungen an den Finanzmärkten wieder und verstärken sie massiv, erläuterte er deren Einfluss: "Die Rating-Agenturen machen das Konzert, nicht wir."
Lage Portugals "allemal gefährlich"
Für Portugal sei die Lage nicht rosig: "Vielleicht ist es der Anfang eines griechischen Szenarios für Portugal, das wissen wir nicht, aber gefährlich für Portugal ist es allemal." Die südeuropäischen Staaten hätten vor dem Euro die Tradition gehabt, hohe Lohnabschlüsse mit raschen Preissteigerungen und Abwertung der nationalen Währung zu kombinieren. In der Euro-Zone könnten Arbeitgeber und Gewerkschaften dieses Spiel aber nicht mehr weitertreiben, denn ohne den Abwertungsschritt zur Unterstützung der Exporte gehe es schief.
Griechenland habe über Jahre hinweg Defizite in Kauf genommen: "Wenn jemand über seine Verhältnisse lebt muss er auch einmal zurückzahlen", mahnt der Vorsitzende des österreichischen Staatsschuldenausschusses. Griechenland sei "ein Lehrbeispiel" für den Fall, dass eine politische Elite Verschuldung und Defizite ignoriert. Ab einem bestimmten Punkt würden die Finanzmärkte einem Land das Vertrauen entziehen. "Wir haben viele Jahre lang die Macht der Finanzmärkte nicht beachtet". Entscheidend sei dann nicht die hohe Verschuldung, sondern was ein Land unternehme um die Schulden zu senken. Italien werde geglaubt, dass es die Schulden senken könne. "Griechenland hat man nicht mehr geglaubt."
"Zahnloser" Stabilitätspakt
Griechenland hätte auch alleine vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geholfen werden können, aber die Europäer wollten keinen Einfluss des IWF bzw. der USA auf die europäische Währung, erläuterte Felderer. Den Rauswurf von verschuldeten Ländern aus der Euro-Zone sieht Felderer nicht als Option. Beim Austritt eines Landes aus der Euro-Zone und der Wieder-Einfühurung seiner eigenen Währung blieben die Schulden in Euro bestehen: Griechenland könnte dann mit Sicherheit diese Schulden "bis zum jüngsten Tag nicht bedienen", das wäre für Europäer und Griechen nur ein Verlust, warnt der Wirtschaftsforscher.
Allerdings sollte es mehr Sanktionen gegen Verschuldung geben, meint Felderer. "Wir würden frühere Korrektive brauchen", die durch den Stabilitätspakt vorgesehenen hätten nicht funktioniert. Sogar Deutschland habe ja den Stabilitätspakt verletzt. "Der Stabilitätspakt hat keine Zähne gehabt". (APA)