Gonjasufi: "A Sufi & a Killer" (Warp/Roughtrade 2010)

Coverfoto: Warp

Der Mann stieß mit seinem Erstlingswerk auf beachtliche Resonanz. Der britische "Guardian" sieht ihn als "Anwärter für das Album des Jahres". Was Gonjasufi alias Sumach Valentine in flirrender Wüstenhitze produziert, nennen die Briten einen "kosmischen Headtrip, der sich anhört, als ob Screamin' Jay Hawkins M.I.A. covert, das ganze remixt von Portishead." Besser kann man es eigentlich gar nicht formulieren. Auch über die Entstehungsbedingungen haben sich schon gescheite Musik-Leute die richtigen Gedanken gemacht: Gonjasufi hat mit Drogen, Las Vegas, Yoga und der Mystik des Islam schon viele Weg beschritten, um "uns daran zu erinnern, dass Extrembedingungen im Pop noch nie geschadet haben", sagen zum Beispiel die "Spex"-Redakteure. Passt auch haarscharf. Soundmäßig - könnte man vielleicht noch hinzufügen - klingt das ein bisschen so, als ob man am Flohmarkt eingekaufte, leicht zerkratzte Scheiben auf einem Uralt-Plattenspieler abspielt. Manchmal mehr Singen - manchmal mehr Gebet. Anstrengend eigentlich - aber man gewöhnt sich daran.

Einfaltspinsel oder Narr

Wenn es heutzutage Gurus mit Dreadlocks in den musikalischen Olymp schaffen, müssen sie schon was drauf haben und mit der richtigen Mischung aus Einfaltspinsel und heiligem Narr aufwarten. Denn eigentlich ist die Zeit für Propheten, oder Yogis, oder eben Gurus schon lange vorbei. Und eine neue Heilslehre hat der Mann auch nicht aus dem Hut gezaubert. Wiewohl sich die Stadt mit babylonischen Anwandlungen in der Wüste Nevadas als Nährboden geradezu aufdrängen würde. Vielmehr taucht der 1978 als Kind koptischer Christen in gutbürgerliche Verhältnisse Hineingeborene auf Sinnsuche in Bewährtes und Bekanntes ein, bastelt sich musikalisch eine rostig klingende Soundspur und trägt spirituell ohne Berührungsängste auf, was er am geistigen Flohmarkt findet. Sich selbst bezeichnet er heute als Muslim, gleichzeitig verdient er sein Geld als Yogalehrer.

Konzert gegen Konflikt

Der Ex-Rapper und Sohn eines Botanikers, benannt nach einer Tropenpflanze, lebte am Strand, endete auf den Straßen von Kalifornien, versuchte sich an Drogen und entdeckte dort - oder gerade dort nicht - den Sufismus, die Mystik des Islam. "Jeder Augenblick ist Gebet. Der Körper ist heilig", darf so einer auch sagen, ohne abgedroschen zu wirken - so wie Altvordere wie Bob Marley oder Miles Davis. Denen soll er übrigens sogar zugetraut haben, den Gaza-Konflikt mit einem Konzert zu beenden. Wenn sie doch nur nicht schon tot wären. Seine Themen sind so alt wie die Menschheit: Liebe, Einsamkeit, Himmel und Hölle. Die schräge Verschränkung von Orient und Okzident und diverser Genres mag sich der Wüstenhitze, dem Mangel oder Überfluss an musikmarkttechnischem Interesse verdanken - eingeraucht wird nicht produziert. Am Ende steht das gesamte umfangreiche Werk - sage und schreibe 19 Titel sind es geworden - irgendwie im Raum und will sich nicht so richtig festlegen lassen.

Der Mörder in mir

Gonjasufi lebt heute mit seiner Familie (Frau und drei Kinder) am Rande von Las Vegas. Hier wurde "A Sufi and a Killer" aufgenommen. Weltverbessern ohne Zynismus und Pragmatismus - das geht sich hier mit einer Mischung aus Unterwasser-Weltmusik, Voodoo-Blues, Garagenpunk, Esoterik-Glamour - oder so - aus. Den Killer im Titel erklärt der Mann den "Spex"-Redakteuren mit sich selbst - und serviert seine Erkenntnisse mit einer Schlichtheit, die nur ernst genommen werden kann: "Wenn ich die Menschheit repräsentiere, dann trage ich auch die niederste Form des Menschen, den Mörder in mir." Der weniger interessant zu erzählende Teil hängt mit Kollaborationspartner "The Gaslamp Killer" zusammen. Der Produzent aus Los Angeles trug mit seinen Loops ebenso zur Platte bei wie der Musiker Mainframe (Orgel und Bass), außerdem programmierte bei einem Stück Flying Lotus. (mareb)