Der Figaro publizierte das kurze, nur aus zwei Artikeln bestehende Gesetz, welches das Tragen des islamischen Vollschleiers in Frankreich untersagt - auch, wenn dies nicht explizit gesagt wird. Zuwiderhandeln wird mit bis zu 150 Euro bestraft.

Bedeutend härter bestraft wird, wer eine Person "wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit" zur Gesichtsverhüllung zwingt, sei es durch "Gewalt, Drohung, Macht- oder Autoritätsmissbrauch" : Darauf stehen 15.000 Euro oder ein Jahr Gefängnis.

Im Visier sind Islamfundamentalisten, die ihren Frauen das Tragen von Ganzkörperschleiern wie Nikab, Burka oder Tschador vorschreiben. Das von Justizministerin Michèle Alliot-Marie ausgearbeitete Gesetz vermeidet aber jeden religiösen Bezug. Die vier Millionen Muslime im Land sollen sich nicht stigmatisiert fühlen. Sie kritisieren seit langem die Politisierung des Themas.

Europäische Muslime kritisieren auch das Burkaverbot, das Belgiens Parlament Donnerstag ohne Gegenstimmen, bei zwei Enthaltungen, angenommen hat.

Während der französische Gesetzestext überraschend hart gegen die "Auftraggeber" der Nikab-Trägerinnen vorgeht, werden die Frauen so weit wie möglich entlastet. Die Behörden haben die Möglichkeit, die Buße in einen "Bürgerkurs" zu verwandeln.

Insgesamt erhält Justizministerin Alliot-Marie Lob für die geschickte Wortwahl: Das Gesetz ist hart in der Sache, bleibt aber neutral in der Formulierung und flexibel in der Anwendung. Dies könnte gewährleisten, dass keine Partei den Verfassungshof anruft.

Das Ministerium steckte den Gesetzestext wohl dem regierungsnahen Figaro, um die Reaktionen zu testen. Noch im Mai dürfte die Regierung das Projekt billigen, im Herbst könnte es das Parlament beschließen. Möglich bleiben Einsprachen beim Gerichtshof für Menschenrechte. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 3.5.2010)