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Thierse wird von Polizisten zum Gehen aufgefordert

Foto: Reuters/Tobias Schwarz

Nach dem blockierten Protestmarsch von Neonazis am 1. Mai in Berlin fordert die deutsche Polizeigewerkschaft nun den Rücktritt von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD). „Wer ein so hohes Staatsamt hat, darf keine Rechtsbrüche begehen, und auch nicht zum Rechtsbruch aufrufen", sagte Bundesvorsitzender Rainer Wendt dem Sender NTV am Montag. Man könne nicht werktags "mit Fahrer und Chauffeur auf Staatsmann machen und am Wochenende als Salon-Revoluzzer auf der Fahrbahn sitzen und die Polizeikräfte behindern. Er sollte seinen Hut nehmen."

Thierse und andere linke Politiker hatten ihren Status als Parlamentarier benutzt, um die Polizeisperren zu überwinden, und den Marsch der Rechtsextremen zu blockieren. Die NPD-Anhängern und sogenannten „nationalen Autonomen" brauchte in Folge dessen vier Stunden, um 700 Meter Weg zwischen den Stadtteilen Pankow und Prenzlauer Berg zurückzulegen. „Ich denke, es ist eine Bürgerpflicht, sich gegen Nazis zu wehren", rechtfertigte Thierse seine Handlung. Man dürfe die Straße nicht schweigend und kommentarlos den Neonazis überlassen.

Bundestags-Kollegen empört

Kritik kommt auch aus der eigenen Partei. „Ich werte das als rechtswidrige Handlung", sagte Thierses Parteigenosse, der Berliner Innensenator Ehrhart Körting. Es sei „nicht so toll, wenn Mitglieder von Verfassungsorganen sich an solchen rechtswidrigen Aktionen beteiligen." Auch der innenpolitischen Sprecher der regierenden Unionsfraktion im Bundestag, CDU-Mandatar Hans Peter Uhl verurteilte die Blockade. „Rechte haben nach Thierses Verständnis keine Grundrechte", sagte er der Berliner Zeitung.

Bei den beinahe traditionellen Aufmärschen von Linksextremen in Berlin am Wochenende war es zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen, bei denen laut offiziellen Angaben 98 Polizisten verletzt wurden, davon einer schwer. Die Polizei nahm 487 Demonstranten fest, es wurden 14 Haftbefehle erlassen. Sie ermittelt wird wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Polizeibeamte. Gesucht wird jedoch auch nach einem Täter aus den eigenen Reihen: Ein Video auf Youtube zeigt, wie ein Polizist einem am Boden liegenden Demonstranten im vollen Lauf gegen den Kopf tritt. Polizeipräsident Dieter Glietsch bat "den Geschädigten und eventuelle Zeugen", sich bei den Behörden zu melden.

Auch in anderen deutschen Städten gab es am „Tag der Arbeit" zu Protesten. Im Hamburger Schanzenviertel zündeten linksradikale Demonstranten Autos an und schlugen Schaufenster ein. Ein Aufmarsch der NPD in der Ostseestadt Rostock verlief weitgehend friedlich, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ein Zusammenprall von 500 Rechtsextremen mit linken Gegendemonstranten konnte durch große Polizeipräsenz verhindert werden. (red, derStandard.at, 3.5.2010)