Lebendrekonstruktion eines Magyarosaurus.

Abbildung: Mihai Dumbrava, liliensternus.deviantart.com

Querschnitt durch einen Magyarosaurus-Knochen.

Abbildung: Foto: Koen Stein/Uni Bonn

Bonn - Insel-Habitate können spektakuläre und vermeintlich widersprüchliche Auswirkungen auf die Körpergröße der dort lebenden Spezies haben: Auf dem Festland kleinwüchsige Spezies entwickeln Gigantismus, ursprünglich große Arten hingegen können dem Phänomen der Inselverzwergung unterliegen. Vermeintlich ist der Widerspruch nur deshalb, weil in beiden Fällen dieselben Mechanismen dahinterstecken: Einerseits muss die Ernährungsweise an die begrenzten Ressourcen des kleinflächigen Habitats angepasst werden, andererseits können - zum Beispiel mangels Konkurrenz durch andere Spezies - auch neue Ressourcen erschlossen werden.

Auch das Fehlen von Raubtieren kann eine Rolle spielen, wenn Größe bislang unter anderem als Schutzmechanismus fungierte. Und größer als Sauropoden ist auf dem Land nie etwas geworden: Die allergrößten Spezies unter den Sauropoden gehörten mit wenigen Ausnahmen zur Gruppe der Titanosauridae - Spezies wie der Argentinosaurus stießen mit einer Länge von über 35 Metern und einem Gewicht von bis zu 100 Tonnen an die Grenzen der Physik. Ein naher Verwandter hingegen, der Magyarosaurus, wurde nicht größer als ein Pferd.

Interpretation verifiziert

Magyraosaurus dacus lebte am Ende der Kreidezeit im Gebiet des heutigen Ungarn und Rumänien - damals ein Archipel von Inseln. 1895 entdeckte die Schwester des Paläontologen Franz Baron Nopcsa auf dem Familienanwesen in Transsylvanien kleine Dinosaurierknochen. Nopcsa interpretierte diese als die Überreste verzwergter Inselbewohner - was jedoch nicht auf allgemeine Akzeptanz stieß: Es hätte sich ja auch um ein Jungtier handeln können. Anlass zu dieser Vermutung gaben ebenfalls in dieser Region gefundene Sauropoden-Knochen, die von wesentlich größeren Tieren stammten.

Ein Team unter der Leitung von Koen Stein und Martin Sander von der Universität Bonn hat nun die fossilen Knochen des Magyarosaurus zersägt und deren Mikrostruktur studiert. "Es ist erstaunlich , dass die Mikroanatomie der Knochen nach 70 Millionen Jahren immer noch erhalten geblieben ist, so dass wir sie studieren können", sagt Stein, der die Untersuchungen im Rahmen seiner Doktorarbeit durchgeführt hat. "Knochen ist ein lebendes Gewebe, und im Laufe des Lebens eines Tieres wird dieses kontinuierlich ab- und wieder aufgebaut." Menschen haben zum Beispiel ihr Skelett, bis sie ausgewachsen sind, einmal komplett resorbiert und durch neue Knochen ersetzt. Dies trifft auch für Sauropoden zu. "Wir waren in der Lage, diese Erneuerungsmerkmale beim Magyarosaurus zu unterscheiden, um zu beweisen, dass der kleine Dinosaurier ausgewachsen war", erklärt Koen Stein.

Inselverzwergung in Funktion

Die jetzt vorgelegte Studie brachte damit endgültig den Nachweis, dass Nopcsas Vermutung zutreffend war. Magyarosaurus dacus erreichte trotz seiner größeren Vorfahren nur die Schulterhöhe eines großen Pferdes - auch wenn er aufgrund seines anderen Körperbaus bis zu sechs Meter lang werden konnte. Damit gehörte er zusammen mit dem aus einer anderen Sauropoden-Gruppe stammenden, 90 Millionen Jahre älteren Europasaurus zu den kleinsten Sauropoden aller Zeiten. Auch Europasaurus war übrigens ein Inselbewohner.

"Unsere Studie zeigt, dass Dinosaurier auf Inseln denselben ökologischen und evolutiven Prozessen unterlegen haben wie heutige Säugetiere", erklärt Martin Sander und fügt hinzu: "Wir konnten außerdem nachweisen, dass die dort gefundenen größeren Knochen zu einer anderen Saurier-Art gehören." Ob diese von verirrten Tieren stammen, die vom Festland zur Insel schwammen, oder ob es die Vorfahren des verzwergten Magyarosaurus sind, bleibt jedoch weiter im Dunkeln der Vorzeit verborgen. (red)