"Nicht jeder, der eine radikale Idee hat, ist automatisch eine Gefahr und nicht jeder Radikalisierte wird zum Terroristen."

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Linker und rechter Extremismus: " Viele Sachbeschädigungen aber, die möglicherweise von linker Seite kommen, werden nach den Bestimmungen des Strafrechts angezeigt und als politisch motiviert oft gar nicht erkannt."

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Gridling über das Internet: "Mit einem Mausklick werden täglich tausende Menschen zu Opfern und man kann schwer etwas dagegen tun".

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derStandard.at: Herr Gridling, wenn Sie Terrorist wären, würden Sie sich Österreich als Ort ihres Aufenthaltes oder Ihrer Tätigkeit aussuchen?

Peter Gridling: Das ist eine interessante Frage. Österreich ist in der glücklichen Lage derzeit keinen hauseigenen Terrorismus zu haben. Dennoch muss man sagen, dass Terrorismus in Österreich nichts Neues ist und es ihn in den vergangenen 50 Jahren in verschiedenen Ausprägungen immer gegeben hat. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Österreich unter Terroristen als eine Art Ruheraum genutzt wurde, das gilt etwa für den deutschen RAF-Terrorismus. Die Österreichischen Behörden haben aber immer alles unternommen, um für Sicherheit zu sorgen und die Bevölkerung zu schützen.

derStandard.at: Sie sagen, Österreich "wurde" als Ruheraum genutzt, sprechen also in der Vergangenheitsform. Sind die Medienberichte, bei denen Österreich heute immer wieder als eine Art Schlaraffenland für Terroristen bezeichnet wird, also falsch?

Gridling: Österreich ist kein Schlaraffenland für Terroristen. Terroristen und Kriminelle nutzen alle Möglichkeiten, die sich ihnen bieten. Ob das etwa ein einfacher Zugang zu Kommunikationsmitteln ist, die Möglichkeiten des Internets oder auch Länder, in denen der Verfolgungsdruck weniger hoch ist und die meist auch hohe Grundrechtsstandards und damit verbunden zahlreiche Freiheiten bieten.

Auch wenn man das nicht gerne hört: In der jüngsten Vergangenheit stoßen wir auf ein Phänomen einer verstärkten Radikalisierung. Dies betrifft vor allem junge Muslime. Wir haben eine Gruppe von Personen in Österreich, die sich mit dem Gedankengut islamistischer Extremisten und Terroristen identifiziert, sich radikalisiert und sich von der Gesellschaft abkoppelt. Auch der Fall Mona M. und Mahmoud S. hat gezeigt, dass wir von solchen Phänomenen nicht verschont bleiben.

derStandard.at: Wie ist Ihre Einschätzung des neuen Anti-Terrorgesetzes?

Gridling: Das ist zunächst einmal nichts Neues, denn Österreich hat schon 2005 die Konvention des Europarats über den Terrorismus unterschrieben und sich verpflichtet, sie in nationales Recht umzusetzen. So ist etwa die Möglichkeit, die Ausbildung in Terrorcamps zu sanktionieren, kein Spezifikum Österreichs. Dies bedeutet nicht, dass jeder der sich radikal äußert automatisch verfolgt wird. Wir prüfen die Fälle, die uns bekannt werden, sehr sorgfältig: Nicht jeder, der eine radikale Idee hat, ist automatisch eine Gefahr und nicht jeder Radikalisierte wird zum Terroristen.

Es geht vielmehr darum auszuloten, ob von einer solchen Person zukünftig eine Gefahr augehen kann. Es ist strafrechtlich irrelevant, wenn jemand nur radikal ist. Aber wenn jemand so radikalisiert ist, dass er aktiv am Dschihad teilnehmen will und sich deshalb zum Terroristen ausbilden lässt um Straftaten zu begehen, dann ist es wichtig eine Handhabe zu haben mit der eine solche Teilnahme verhindert werden kann um nicht später mit der Gefahr leben zu müssen. Insofern bringt die Bestimmung für uns eine Erleichterung.

derStandard.at: Sie sagen, nicht jeder mit radikalen Ideen wird auch tatsächlich straffällig. Was muss passieren, damit es so weit kommt?

Gridling: Bei den Personen, die sich zu Terroristen ausbilden lassen, gibt es keinen einheitlichen terroristischen Karrierepfad. Bei jeder Person stellt sich der Weg individuell anders dar, es gibt kein einheitliches Profil des potenziellen Terroristen. Es ist falsch, zu sagen: Jeder junge Moslem ist ein potenzieller Terrorist.

derStandard.at: Was ist die wohl größte momentane Bedrohung für Österreich?

Gridling: Das ist sicherlich die Gefahr, dass es zu einem islamistischen Anschlag kommt. Dieser Terrorismus geht gegen weiche Ziele, sprich zum Beispiel Massenbeförderungsmittel. Er zielt darauf ab wahllos Menschen zu töten, um Verunsicherung herbeizuführen. Es ist kein Terrorismus der seine Opfer gezielt auswählt und man versucht möglichst hohe Opferzahlen zu erreichen.

derStandard.at: Laut neuem Verfassungsschutzbericht steigt die Zahl der linksextremen Straftaten (Von 64 in 2008 auf 90 in 2009) - Obwohl diese im Vergleich zu denen der rechten (fast 800 Anzeigen im Jahr 2009) immer noch relativ gering ist. Wo sehen Sie eine Veränderung im linken Sektor?

Gridling: Grundsätzlich glaube ich, dass die Zahlen nicht stimmen. Wir werden darauf reagieren. Es ist uns bewusst, dass politisch motivierte Straftaten für die Behörden oft schwerer feststellbar sind, als rechte. Jede Schmieraktion oder jedes Propagandapickerl, das von rechts kommt, finden wir sofort in einer Anzeige nach dem Verbotsgesetzt oder typischen Verwaltungsstrafbestimmungen wieder. Viele Sachbeschädigungen aber, die möglicherweise von linker Seite kommen, werden nach den Bestimmungen des Strafrechts angezeigt und als politisch motiviert oft gar nicht erkannt.

derStandard.at: Die Linksextremen kommen besser weg, als die Rechten?

Gridling: Das kann ich nicht sagen, aber wir werden unsere Richtlinien für die Erfassung der Straftaten überprüfen und wenn notwendig angleichen. Also eine einheitliche Basis schaffen, nach der man solche Delikte meldet.

derStandard.at: Innenministerin Fekter sagt, "bedenklich" ist für sie vor allem, dass "fast jede rechte Veranstaltung mit einer linken Gegenbewegung einhergehe." Ist da nicht die rechte Veranstaltung das Problem statt der linken Gegendemo?

Gridling: Die Frau Bundesminister hat das so gesagt und dabei ein wichtiges Thema angesprochen. Die Sicherheitsbehörden haben, unabhängig von der politischen Einstellung, den Bürgern die Möglichkeit zu bieten ihren politischen Willen in zulässiger Form zum Ausdruck zu bringen. Und wenn aus den unterschiedlichen Lagern Veranstaltungen stattfinden, müssen die Sicherheitsbehörden sicher stellen, dass dies auch tatsächlich stattfinden kann.

derStandard.at: Das Internet wird von Rechten vermehrt als Rekrutierungsplattform gesehen: Wie soll man damit umgehen?

Gridling: Das Internet ist heutzutage aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Trotzdem ist es aus unserer Sicht ein ungeregelter Bereich. Es gibt kaum Rechtsvorschriften, die den Bürger entsprechend schützen. Mit einem Mausklick werden täglich tausende Menschen zu Opfern und man kann schwer etwas dagegen tun. Hier besteht Regelungsbedarf. Den Polizei- und Justizbehörden ist das ein großes Anliegen, denn ansonsten sind wir mit Ermittlungen und Verfahren konfrontiert, in denen wir keine sachdienlichen Ermittlungsergebnisse liefern können. Beispielsweise weil wir nicht einmal die notwendigen Daten haben, um die Personen zu identifizieren. Auf diese technischen Entwicklungen müssen der Gesetzgeber und die Behörden reagieren.

Wenn wir sehen, dass die technische Entwicklung uns quasi überrollt und die Ermittlungen dadurch nicht in jener Präzision durchgeführt werden, die nötig wäre, müssen wir das aufzeigen. Auch wenn das dann als überzogen oder unangebracht dargestellt wird, wie beim Beispiel Online-Fahndung.

derStandard.at: Die Online-Fahndung gibt es ja. Was fehlt Ihnen denn?

Gridling: Die gibt es noch nicht.

derStandard.at: Den Entwurf gibt es.

Gridling: Ja, den Entwurf gibt es aber leider nur den. Wir würden uns die Online-Fahndung wünschen.

derStandard.at: Und was noch?

Gridling: Man sollte darüber nachdenken: Wie geht man mit dem Thema Verschlüsselung um? Wir sind überzeugt, dass diese Technologie nützlich ist und vor allem für den Rechtsverkehr aber auch für die private Kommunikation eine wichtige Rolle spielt. Andererseits wird diese Technologie aber immer mehr von Kriminellen genutzt , um sich vor der behördlichen Verfolgung zu schützen. (az, nik, derStandard.at, 4.5.2010)