Fast könnte man Mitleid bekommen mit Österreichs Justiz, weil sich der "Fall Ebensee" gar so kompliziert für sie darstellt: KZ-Überlebende werden im Mai 2009 in der Gedenkstätte Ebensee von offenbar rechtsextremen Jugendlichen angegriffen. Die Sache wird publik, Skandal, Peinlichkeit. "Die Justiz ermittelt", heißt es.

Dummerweise leben die Opfer in Frankreich: Also nach Paris schreiben, Zeugen suchen lassen, befragen, übersetzen, in den Akt einarbeiten, nachdenken. Kein Wunder, dass darüber ein Jahr vergeht - ohne Anklage.

Kein Wunder? In anderen, politisch ähnlich heiklen Fällen agierte die Justiz schon forscher. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt etwa ließ verdächtige Tierschützer wochenlang in U-Haft dunsten, ehe sie eine saftige Anklage nach dem "Mafia-Paragrafen" schrieb. Die Staatsanwaltschaft Wien wiederum ließ umgehend die Schauplatz-Redaktion des ORF nach einer FPÖ-Anzeige (ausgerechnet wegen Wiederbetätigungsverdachts) filzen.

Im Fall Ebensee dagegen zogen die Ankläger offenbar erst einmal gemächlich Glacé-Handschuhe an, ehe sie aktiv wurden. Die Opfer der Störattacke blieben nämlich einige Tage im Land und erzählten ihre Geschichte jedem, der sie hören wollte - allein, die Behörden fragten nicht. Zudem verwundert, dass es im vereinten Europa offenbar immer noch schwierig ist, "ausländische" Zeugen zu befragen.

Die Peinlichkeit von Ebensee ist jedenfalls prolongiert. (Petra Stuiber, DER STANDARD, Printausgabe, 4.5.2010)