"Little Britain"-SeherInnen kennen diese Szene als Parodie: Ein Mann (ein konservativer Politiker) steht vor seinem stattlichen Haus und wird von ReporterInnen bedrängt, Fragen zu einem pikanten Vorfall zu beantworten. Seine Gattin steht dicht neben ihm und blickt freundlich, aber mit leicht erstarrtem Blick, in die Kameras während ihr Mann erklärt, wie es passieren konnte, dass er in einer Flughafentoilette nackt vor einem jungen Mann zu knien kam: Er hätte dem Burschen doch nur Kleingeld zum telefonieren geborgt, die Münzen kullerten aber auf den Boden, während er sie aufheben wollte, hätte sich der junge Mann aus unerfindlichen Gründen an seinem Pullover und an seiner Hose festgehalten, weswegen ein paar FotografInnen ihn schlussendlich entkleidet auf dem Fußboden der besagten Toilette vor die Linse bekamen.
In einer ähnlichen Situation, wie sie die Frau dieses "ungeschickten" Herren erleben musste, fand sich auch "Good Wife" Alicia Florrick (Julianna Luisa Margulies) wieder, nur in Ernst: Ihr Mann Peter Florrik (Chris Noth) trieb Dinge, die sich mit dem Bild, das er als Staatsanwalt in der Öffentlichkeit repräsentierte, nicht vereinbaren ließen. Auch Peter Florrik verlas vor laufenden Kameras eine Presseerklärung, die rechtfertigen sollte, seine Frau Alicia hatte er dicht an seiner Seite. Florrik wurde beschuldigt, Geld veruntreut und im Gegenzug Leistungen von Prostituierten kassiert zu haben. Alicia Florrick muss unter großem Medieninteresse in der Sache aussagen, fortan wird ihre gesamte Familie durch die Machenschaften des Gatten in Mitleidenschaft gezogen, er selbst sitzt seine Strafe im Gefängnis ab.
Appell an Alicias eigene Erfahrungen
Nun muss Alicia ihr Leben völlig neu einrichten. Sie nimmt ihren Job als Anwältin wieder auf. Fast alle KlientInnen kennen sie durch den Skandal rund um ihren Mann aus Funk und Fernsehen und sie erhoffen sich von ihr in manchen Angelegenheiten Verständnis. So etwa die Geliebte des Mannes, der für ein Zugunglück (Folge "Das Zugunglück") verantwortlich war, bei dem drei Arbeiter ums Leben kamen. Alicia vertritt gemeinsam mit ihrem Chef Will Gardner (Josh Charles) die Witwen der Männer, denen nur eine kleine Rente zugestanden wurde, obwohl sich die Beweise häuften, dass das Zug-Unternehmen Schuld an dem Unfall war. Die Geliebte des Schuldigen appellierte an Alicia. Sie soll doch an die eigenen schrecklichen Erlebnisse im Zeugenstand denken und ihr das nicht zumuten, weil damit ihre Affäre (die Frau hat Kind und Mann) auffliegen würde. Zu wem ist "Good Wife" gut? Zu den drei Witwen, die mit niedrigen Renten abgespeist wurden? Zu der Geliebten, die ihre Privatsphäre schützen und deshalb nicht aussagen will (eine Situation, die Alicia nur zu gut kennt)? Ganz Profi entschied sich Alicia in dieser Folge gegen den Schutz der Privatsphäre zugunsten der Gerechtigkeit für die drei Witwen, was aber dennoch in zwei Richtungen ausgelegt werden kann: Alicia Florrick ist professionell genug, um die eigenen Erfahrungen darüber, wie es ist, wenn das Privatleben an die Öffentlichkeit gezerrt wird, außen vor zu lassen. Oder: Mit Betrügereien soll niemand durchkommen - zerrt sie vor Gericht!
Noch alles offen
So oder so: Die durch den Gatten bescherten Erlebnisse werden Alicia auch weiterhin in ihrer Arbeit als Anwältin auf Schritt und Tritt begleiten. Ob im Stil der beiden erwähnten Varianten muss nach Begutachtung der Folge "Das Zugunglück" ebenso offen bleiben, was der Titel "Good Wife" eigentlich meint und was eine "gute" Frau sein soll. Dass Alicia mit einem Pokerface ihrem Gatten im Gefängnis gegenübersitzt, während sie vielleicht innerlich vor Wut schäumt? Dass sie den erzwungenen Neuanfang tapfer durchsteht oder dass sie ihn eigentlich in vollen Zügen genießt und heilfroh ist, der Rolle der Mutter und Ehefrau endlich entfliehen zu können? Die durchaus vorhandene Spannung der Serie speist sich aus diesen noch offenen Fragen. Auch die in der Kanzlei eintrudelnden Fälle sind nicht uninteressant, denen sogar der eine oder andere gesellschaftspolitische Anstrich verpasst wurde. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 5.5.2010)