Die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko nimmt immer größere Ausmaße an. Das Bohrloch, aus dem seit zwei Wochen Erdöl ins Meer strömt, kann nach Expertenmeinung erst in einigen Monaten abgedichtet werden. Der verantwortliche Energiekonzern BP teilte am Dienstag in London mit, die Arbeiten würden "rund drei Monate" dauern. Die BP-Aktie verlor unterdessen weiter an Wert. Von der Ölpest sind jetzt auch verstärkt die Strände Floridas betroffen.
Die Ölpest habe allmählich Folgen wie ein schweres Tankerunglück, meinte der Meeresbiologe Christian Bussau von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. "Das wirkliche Drama spielt sich bisher noch unter der Wasseroberfläche ab." Bisher seien vor allem Kleinlebewesen betroffen. Was noch komme, sei bisher nicht absehbar.
Die Einsatzkräfte im Golf von Mexiko wollen möglicherweise an diesem Dienstag damit beginnen, Öl von der Wasseroberfläche abzuschöpfen. BP hofft auch, erneut Öl auf See abfackeln zu können. Hohe Wellen hatten beides in den vergangenen Tagen verhindert. Bis Dienstag früh (Ortszeit) gab es keine Hinweise, dass Ölklumpen in größerer Menge die nahe gelegene US-Küste erreichten.
Entlastungsbohrung
Der Energiekonzern BP hat nach eigenen Angaben mit einer Entlastungsbohrung an der Unfallstelle im Golf von Mexiko begonnen. Wie die Firma am Dienstag in einer Erklärung bekanntgab, kosten diese Rettungsbemühungen voraussichtlich sechs Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) pro Tag. Die Entlastungsbohrung soll den Druck innerhalb der bestehenden Ölleitung und damit den Ölfluss reduzieren. Damit soll das austretende Öl aufgefangen und kontrolliert an die Oberfläche geleitet werden. Erfahrungen damit haben die Experten nicht: Nach Angaben von BP-Manager Doug Suttles vom Montag wurde diese Methode bisher nur in flachem Wasser angewandt. Das offene Bohrloch liegt aber in 1.500 Metern Tiefe.
Ein rasches Ende der sich vor der Südostküste der Vereinigten Staaten ausbreitenden Ölpest ist laut Peter Seifert, Leiter der Geologischen Bundesanstalt in Wien und ehemaliger Manager von Erdölkonzernen wie der OMV, "unrealistisch". Das wahrscheinlichste Szenario, wie das Bohrloch verschlossen werden kann, ist für den Erdwissenschafter eine zusätzliche Bohrung. Das werde allerdings Monate in Anspruch nehmen, sagte Seifert.
Das mittlerweile kolportierte Verfahren, den vom Meeresboden aufsteigenden Ölstrom mittels riesiger Glocken zu sammeln und dann abzupumpen, hält Seifert für "durchaus interessant, aber technisches Neuland und einfach nicht ausgereift". Derartige Glocken könnten innerhalb von Wochen installiert werden. Dann gehe es aber darum, wirklich die Masse des aufsteigenden Öls aufzufischen. Es sei kaum zu erwarten, dass das Material in konzentrierten Strömen nach oben gelangt, vielmehr würden sich Öl und Wasser durch Meeresströmungen schon teilweise vermischen.
BP meinte am Dienstag, es gebe "zügige Fortschritte beim Bau der Abdeckkuppel". Diese 70 Tonnen schwere Abdeckung soll auf dem Meeresgrund über die Ölquelle gestülpt werden. Unter der Kuppel soll das Öl aufgefangen und dann abgepumpt werden.
Schlimmere Auswirkungen als beim Unglück mit dem Tanker "Exxon Valdez" befürchttet
Für den Golf von Mexiko fürchten Fachleute schlimmere Auswirkungen als beim Unglück mit dem Tanker "Exxon Valdez" vor der Küste Alaskas im Jahr 1989. Damals strömten knapp 40.000 Tonnen Rohöl ins Meer und mindestens 250.000 Seevögel verendeten. Im Golf von Mexiko bedrohe das Öl brütende Küstenvögel wie Braunpelikane und Rötelreiher. Neben Strandbrütern wie Seeregenpfeifern seien auch Delfine, Meeresschildkröten und Fische im weit verzweigten Mississippi-Delta gefährdet.
BP-Chef Tony Hayward räumte die Verantwortung des Konzerns für die Katastrophe ein. "BP ist verantwortlich für dieses Leck. BP wird die Rechnung begleichen", sagte Hayward nach Angaben des britischen Rundfunksenders BBC. Die BP-Aktie knickte deutlich ein. Im frühen Handel an der Londoner Börse verlor das Papier angesichts der erwarteten Milliardenkosten 4,60 Prozent seines Werts.
In scharfen Worten hatte US-Präsident Barack Obama das Unternehmen am Sonntag für die Ölpest verantwortlich gemacht und betont: "BP wird die Rechnung dafür bezahlen." Britische Zeitungen errechneten, dass dem Ölkonzern Kosten von bis zu acht Milliarden Dollar (gut sechs Milliarden Euro) drohen könnten - Schadenersatz für die Fischerei- und Touristikbranche eingeschlossen. (APA)