Suchbild mit Miniwespe: Eine parasitäre Schlupfwespe krabbelt einem Kohlweißling auf das Facettenauge.

Foto: Ties Huigens

Sie lassen sich von frischbegatteten Kohlweißlings-Weibchen zu den Eiern fliegen.

Mit raschen Flügelschlägen fliegt das Kohlweißlingsweibchen über die Felder. Die Schmetterlingsdame wurde vor wenigen Stunden von einem Artgenossen begattet und sucht jetzt nach einer geeigneten Pflanze, um darauf ihre befruchteten Eier abzulegen. Später brauchen die jungen Raupen saftige Kohlblätter zum Fressen. Für Gärtner und Bauern können die Schäden beachtlich sein.

Doch die Eier dieses Weibchens werden niemals schlüpfen. Auf ihrem Körper sitzt ein winziger Feind, eine Schlupfwespe der Gattung Trichogramma. Sie lässt sich von ihrem Opfer zum Eiablageplatz tragen, um dort das Schmetterlingsgelege anzubohren und ihre eigenen Eier darin zu deponieren. Der Schlupfwespennachwuchs frisst die Faltereier von innen auf, eine besondere Form des Parasitismus.

Trichogrammas listige Fortpflanzungsstrategie fasziniert Forscher. Die Miniaturinsekten werden nur etwa einen halben Millimeter lang. Aus eigener Kraft größere Flugdistanzen zu überbrücken dürfte für sie ausgeschlossen sein, der Ritt auf einem Schmetterling ist wahrscheinlich der einzig effiziente Weg, um an Eier heranzukommen. Aber wie finden die Schlupfwespen die Falter?

Kleine Wespen, große Augen

Wir vermuten, dass Sichterkennung eine Rolle spielt" , erklärt der niederländische Biologe Ties Huigens von der Universität Wageningen im Gespräch mit dem STANDARD. "Diese kleinen Wespen haben schließlich sehr große Augen." Zusammen mit einigen Kollegen untersucht Huigens jedoch einen offensichtlich noch viel wichtigeren Erkennungsmechanismus: Trichogramma orientiert sich am Geruch der Schmetterlinge, und zwar in extrem raffinierter Weise.

Männliche Weißlinge der Gattung Pieris benutzen sogenannte Antiaphrodisiaka, mit denen sie Weibchen während der Paarung markieren. Die frisch Begatteten riechen dadurch unattraktiv und werden von weiteren flatternden Galanen ignoriert. Für Trichogramma dagegen sind die von Sex zeugenden Düfte das Signal zum Angriff. Bei Laborversuchen zeigten sowohl Trichogramma brassicae wie auch die nah verwandte Art T. evanescens eine deutliche Präferenz für befruchteten Pieris-Weibchen in Vergleich zu jungfräulichen Exemplaren oder männlichen Faltern. In der Natur lauern die Schlupfwespen ihren Opfern vermutlich an Blüten auf.

Interessanterweise ist die Dufterkennung bei T.-brassicae-Schlupfwespen offenbar schon seit Geburt vorhanden, während sie von T. evanescens erlernt werden muss. Letztere Art verfügt für die Erinnerung an einen erfolgreichen Schmetterlingsritt sogar über ein physiologisch fixiertes Langzeitgedächtnis (vgl. PNAS, Bd. 106, S. 820).

T. evanescens ist bezüglich ihrer Wirtswahl flexibler als T. brassicae und greift auch die Gelege anderer Schmetterlingsarten an. Der obengenannte Lernprozess könnte hierin begründet liegen – eine Prägung macht nur Sinn, wenn eine Wirtsart zu einem bestimmten Zeitpunkt häufiger anzutreffen ist.

Umsteigen beim Aufreiten

Im Rahmen einer neuen Studie ("Behavioural Ecology", online vorab) beobachteten die niederländischen Wissenschafter zudem, wie sich T.-evanescens-Schlupfwespen an männliche Exemplare der nur einzeln vorkommenden Weißlingspezies Pieris rapae heranmachten. "Es ist gut möglich, dass sie gezielt auf Männchen aufsteigen, um später bei der Paarung auf das Weibchen überzuspringen" , meint Ties Huigens. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 5. 5. 2010)