Migration in all ihren Facetten ist ein medialer Dauerbrenner, meist mit emotionaler Sprengkraft aufgeladen. Aber gelebte Integration musste man in der österreichischen Medienlandschaft bisher mit der Lupe suchen. Vor diesem Hintergrund ist das Stadtmagazin Biber eine längst fällige und begrüßenswerte Initiative, denn das Konzept - WienerInnen mit Migrationshintergrund schreiben über sich und für einander, aber auch für ÖsterreicherInnen ohne Migrationshintergrund - klingt originell, aufgeschlossen, innovativ. Mit scharf eben, in der parodierten biberschen Kebapstandsprache ausgedrückt.

Zahlreiche gut recherchierte und hintergründige Reportagen geben Einblick in die Welt der zweiten und dritten Generation, das Ganze wird aufgelockert durch Lifestyle-Tipps und Alltagskolumnen. So weit, so gut. Beim näheren Betrachten kann die kritische, balkanstämmige Leserin allerdings nicht umhin, sich kopfschüttelnd zu fragen, was für Frauenstereotypen da eigentlich unterschwellig transportiert werden.

Da ist immer wieder die Rede von der "Balkanfrau" oder inzwischen auch "Biberica", die einfach alles drauf hat: vom richtigen Nagellack bis zur steilen Karriere. Sie träumt von einer fetten Hochzeit im Kreise der Großfamilie, denn die Balkanfrau ist patriarchal geprägt - und sie steht dazu! Für den Familienfrieden macht sie bei Bedarf einen auf schwach und unterwürfig, auch wenn doch jeder weiß, dass in der Familie sie die Hosen anhat. Schließlich muss sie mit einem waschechten Balkan-Macho an ihrer Seite fertigwerden, und da sind raffinierte Strategien gefragt. Dass Heiraten und Familie gründen für die Balkanfrau der einzig denkbare Lebensentwurf ist, versteht sich von selbst.

Die Biberica ist sich nicht zu blöd dafür, ihrem Mann einen Kuchen zu backen, und Schlabber-Look spielt's bei ihr nicht. Gut, dagegen ist nicht einzuwenden. Jede, wie sie will, Geschmäcker sind verschieden. Nur muss man sich dessen bewusst sein, dass in diesem Kontext die Mischung von Lifestyle und politischen Botschaften ein rückständiges Frauenbild produziert.

In der Zuschreibung von Klischees lässt man sich immerhin vom Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit leiten: Auch der Schwabo-Mann kriegt sein Fett ab, wenn die Biber-Redaktion der Frage nachgeht "Was ist dran am Schwabo-Mann?" Aber ein qualitativer Sprung ist das nicht, denn Vorurteile heben sich nicht gegenseitig auf.

Nun könnte man ja sagen, was soll's, es ist eben fröhliche Satire, und wer es nicht witzig findet, soll sich nicht aufregen. Stimmt schon, aber bei manchen stilistischen Elementen muss man sich dennoch die Frage stellen, ob den sogenannten Communities nicht ein Bärendienst erwiesen wird. Wie witzig ist es denn nun wirklich, gebrochenes Deutsch zu parodieren? (z.B. "Schreibst du Meinung, mit scharf, was du denken über...") - emanzipatorisch ist es jedenfalls nicht.

Ein mediales Konzept, das Aufmüpfigkeit mit Protest und Selbstdarstellung mit Selbstbewusstsein verwechselt, wird möglicherweise auf halbem Weg steckenbleiben, nämlich dann, wenn das wohlmeinende Hantieren mit Klischees einen Dialog auf Augenhöhe, frei von Klischees und gegenseitigen Zuschreibungen, verunmöglicht. Mediale Diversifikation sollte bestrebt sein, Kommunikation herzustellen, Randgruppen sichtbar zu machen und Vorurteile abzubauen. Die Biber-Redaktion verfügt zweifellos über das Potential, diese Ziele zu erreichen, und leistet allein schon durch ihre Existenz einen sehr wertvollen Beitrag zur Sichtbarmachung der WienerInnen mit Migrationshintergrund. Im Sinne einer echten Emanzipation wäre es aber zweckmäßig, sich weniger hinter balkanesischen Masken und anderen stereotypisierenden Schablonen zu verstecken und Mut zu einer differenzierten Sichtweise zu zeigen.

Fragwürdig ist nicht die Zeitschrift selbst, sondern eine dahinterliegende Grundhaltung, die sich dem Fremden scheinbar nähert, aber in Wahrheit mit Etiketten, Schubladen und (Selbst-)exotisierung laboriert, um das vermeintlich Fremde schön fremd bleiben zu lassen. Biber ist Symptom dieser grundsätzlichen Problematik, die über den medialen Sektor hinausgeht. Den Biber-RedakteurInnen und den Biber-LeserInnen selbst kann man für die Zukunft nur Glück und Erfolg wünschen, mögen sie weiterhin mit so viel Enthusiasmus dranbleiben. Im Hinblick auf das, was man unter dem Begriff Integration so landläufig subsumiert, kann man uns allen jedoch nur wünschen, dass wir es irgendwann nicht mehr nötig haben, uns selbst oder gegenseitig als Balkanesen, Tschuschen, Schwabos oder was auch immer abzustempeln.