Wien - Im Zuge der Proteste gegen die Abschiebung zweier Nigerianer aus Österreich ist auch der Fall eines jungen Afghanen bekannt geworden, der aufgrund der Dublin-II-Verordnung nach Griechenland überstellt werden sollte. Seine Abschiebung stoppte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor wenigen Wochen durch eine "interimistische Maßnahme". Es handelt sich laut Angaben des Innenministeriums um den zweiten derartigen Fall in Österreich.
Kritik an Griechenland im Umgang mit Flüchtlingen
Basierend auf der Dublin-II-Verordnung dürfen Asylwerber nur noch im ersten EU-Staat, in den sie einreisen, einen Antrag stellen. Demnach sei für den Asylantrag des jungen Mannes aus Afghanistan Griechenland zuständig. Das Land wird aber nicht erst seit der Finanzkrise von NGOs für seinen Umgang mit Flüchtlingen kritisiert.
Entscheidung kann Jahre dauern
Der Anwalt des Asylwerbers brachte deshalb eine Beschwerde beim EGMR ein, woraufhin dieser mit einer Art "einstweiligen Verfügung" die Überstellung in das südeuropäische Land stoppte, berichtete der ORF "Report". "Wir warten nun ab, wie der EGMR entscheidet", erklärte Anwalt Herbert Pochieser. Er rechnet damit, dass im Fall seines Mandanten bis zu zwei, drei Jahre auf eine Entscheidung zu warten ist.
Abschiebung vorerst ausgesetzt
Die geplante Abschiebung des Afghanen ist jedenfalls vorerst ausgesetzt. "Das ist für uns verbindlich, derzeit gibt es keine Überstellung", erklärte Ministeriumssprecher Rudolf Gollia.
Es handle sich um den zweiten so gelagerten Fall in Österreich. Bei dem zeitlich etwas zurückliegenden zweiten Fall habe der Betroffene Österreich mittlerweile selbst verlassen. Eine "Reihe von anderen Staaten" habe bereits ebenfalls Mitteilungen des EGMR bekommen - es gehe dabei immer um Abschiebungen nach Griechenland. Generelle Auswirkungen habe die aktuelle Maßnahme aus Straßburg nicht, da jeder Fall einzeln geprüft wird.
7.900 Dublin-Fälle geprüft
Vom Bundesasylamt wurden im Vorjahr insgesamt 7.900 Dublin-Fälle geprüft. Bei 5.464 handelte es sich um sogenannte Dublin Out-Verfahren (für das Asylverfahren ist ein anderer Staat zuständig). 2.436 Fälle waren Dublin In-Verfahren (in diesem Fall ist Österreich zuständig). Im Jahr 2009 fanden laut Angaben des Innenministeriums 1.424 Überstellungen statt. In den ersten drei Monaten 2010 waren es 438. Die meisten Dublin-Verfahren seien mit den Ländern Polen, Ungarn, Griechenland und Italien zu führen.
Forderung: Keine Überstellungen mehr nach Griechenland
Anny Knapp, Obfrau der asylkoordination Österreich, forderte: "Das Innenministerium sollte diese Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofes ernst nehmen und keine Überstellungen von Flüchtlingen nach Griechenland mehr durchführen, sondern selbst in das Asylverfahren eintreten. (APA)