Mit dem wachsenden wirtschaftlichen und finanziellen Gewicht, das die Schwellenländer in der Welt einnehmen, gewinnen auch eigene Forschung und Entwicklung an Stellenwert. Bisher wuchsen die Bric-Länder - es sind dies Brasilien, Russland, Indien, China - vor allem im Austausch nach außen, wobei Russland und Brasilien ihren Rohstoffreichtum ausspielten, während Indien und China auf ihre Vorzüge auf billig hergestellte Software setzten oder im Fall Chinas der billigen Verarbeitung als Werkbank der Welt.

Diese Vorzüge wollen die Bric-Länder nun verstärkt nach innen wirken lassen. Einerseits, um eine höherwertige Zusammenarbeit untereinander zu erreichen. Vor allem aber auch, um selbst bestimmende Kraft in Sachen Forschung, Entwicklung und Innovation zu werden. Eine von der Unternehmensberatung The Boston Consulting Group (BCG) in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsmagazin Business Week erstellte Umfrage weist in diese Richtung: Diese Länder "folgen viel mehr ihren Visionen, während die Industriestaaten nicht mehr an den großen Wurf glauben" , so BCG-Geschäftsführer Andreas Maurer. 80 Prozent der Befragten aus Brasilien, China und Indien kündigten an, völlig neuartige Produkte entwickeln zu wollen - gegenüber 67 Prozent in den Industrienationen.

Kräftebündelung

Noch gehen Länder wie China bei Hightech-Projekten vor allem individuell oder bestenfalls bilateral vor, was sich in Zukunft aber ändern soll. China stellt etwa für seine eigene Inlandsentwicklung neue Weichen, um von der alten arbeitsintensiven Rolle einer Werkbank zum neuen Ziel, "Innovation und Wandel im Wirtschaftsmodel" zu kommen. Bilateral sucht es mit Russland und Brasilien Projekte zur Zusammenarbeit etwa beim Bau von Hoch-geschwindigkeitsbahnen zu verwirklichen, wobei sich Peking konkret um einen 19,6-Milliarden-Dollar-Auftrag in Brasilien zum Bau der Bahn zwischen Rio, São Paulo und Campinas bewirbt. Brasilien verfolgt Raumfahrt- und Satellitenprojekte mit China und will seine im Flugzeugbau begonnene Zusammenarbeit mit China über 2011 hinaus verlängern.

Wie bei China auch ist Brasiliens Aufstieg das Ergebnis staatlicher Visionen. Im Gegensatz zu vielen anderen lateinamerikanischen Ländern hat in Brasilien der Staat seine Führungsrolle in der Wirtschaft nie ganz aus der Hand gegeben. Hohe Zölle schützten die heimische Wirtschaft vor billiger Konkurrenz und gaben ihr Zeit, wettbewerbsfähig zu werden. Eine Währungsreform brachte Stabilität. Die staatliche Entwicklungsbank gab günstige Kredite für Projekte, die das Land wirtschaftlich voranbrachten. Deshalb gehören heute Konzerne wie Vale (Eisenerz) oder Embraer (Flugzeugbauer) zu den "Big Playern" auf dem Weltmarkt. Es war staatliche Agrarforschung, die dem Land den Aufstieg zur Agrar-Exportmacht ermöglichte. Und es war vom Staatskonzern Petrobras entwickelte Technologie, die neue Offshore-Ölfunde ermöglichte, mit denen Brasilien seinen steigenden Energiebedarf sichert. (Johnny Erling aus Peking, Sandra Weiss aus Puebla, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 7.5.2010)