Ein Gemeinschaftsgarten im 15. Wiener Gemeindebezirk

Foto: Jasmin Al-Kattib

Durch die unterschiedliche Herkunft der GärtnerInnen und deren Vorlieben, entsteht auf kleinem Raum eine beachtliche Biodiversität

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Feigenbaum im Innenhof: Auch die biologische Vielfalt spielt neben der kulturellen Diversität eine bedeutende Rolle

Foto: Jasmin Al-Kattib

In manchen Wiener Innenhöfen ist es längst selbstverständlich: Ein Feigenbaum posiert stolz neben einem Himbeerstrauch, frischer Koriander sprießt aus der von Unkraut befreiten Erde, daneben Petersilie, Rosmarin und Kerbel. Man trifft sich beim Gießkanne auffüllen am Bassena im Stiegenhaus, beim Jäten und beim Rasten in der Sonne.

Toleranz ist das wichtigste

Birgit mag Gemeinschaftsgärten. Sie wohnt in einem hellgrünen Jahrhundertwendehaus im 15. Wiener Gemeindebezirk und hat seit ihrem Einzug vor einigen Jahren maßgeblich zur Pflege des Gartens im Innenhof beigetragen. "Das wichtigste bei der gemeinsamen Nutzung des Gartens ist Toleranz," so die 29-Jährige. Denn es kann schon mal vorkommen, dass sich ein paar Samen oder Pflänzchen in frisch gejätete Beete von jemand anderem verirren. Das, was sich in Birgits unmittelbarer Nachbarschaft entwickelte, hat eine bereits vierzigjährige Geschichte und wird mittlerweile unter anderem als gezieltes Mittel zur Förderung der gelebten Integration in der Stadtentwicklung eingesetzt.

Neue grüne Freiräume

Die Idee der Gemeinschaftsgärten geht auf die seit den siebziger Jahren in New York entstandenen "Community Gardens" zurück. Damals entstanden auf brachliegenden Flächen neue grüne Freiräume inmitten des urbanen Umfelds, die zu einer Revitalisierung und Aktivierung des Stadtteils führten. In Deutschland begannen Mitte der neunziger Jahre Frauen aus Bosnien, die aufgrund des Krieges ihre Heimat verlassen mussten, gemeinsam Gärten zu pflegen. Das daraus entstandene Konzept wurde zu einem Modellprojekt für viele weitere interkulturelle Gärten in Deutschland. Seit kurzem beginnen sich ähnliche Projekte auch in Österreich zu entwickeln.

Politik im Kleinformat

Gemeinschaftsgärten sind politische und soziale Handlungsräume im Kleinformat. Auf offen-demokratische Weise wird verhandelt, wie der Garten aussehen wird, wer was wohin pflanzt und wer für welche Belange zuständig ist. Die Teilhabe und Mitbestimmung an einem gemeinsamen Projekt wecken ein Gefühl von Partizipation, es findet ein Austausch über den eigenen gärtnerischen und sozialen Alltag statt. So können vielerlei Tipps und Tricks aus einem großen gemeinsamen Wissenspool geschöpft werden.

Boden unter den Füßen
Bei thematischen Gemeinschaftsprojekten wie den Interkulturellen Gärten kommen Menschen aus unterschiedlichsten ethnisch-kulturellen Hintergründen, sozialen Milieus, Religionen und Altersgruppen zusammen. Ähnlich wie beim Wurzeln-Schlagen von Pflanzen gibt es Menschen aus anderen Ländern die Möglichkeit, neuen "Boden unter den Füßen" zu gewinnen. Sprachkompetenzen werden gesteigert, wichtige und alltägliche Informationen werden ganz selbstverständlich weitergegeben. Zudem lernen die StadtteilbewohnerInnen ihre soziale Umgebung besser kennen und schätzen. Es entstehen Kontakte, Bekanntschaften und manchmal auch Freundschaften.

Biologische und kulturelle Vielfalt

Auch die biologische Vielfalt spielt neben der kulturellen Diversität eine bedeutende Rolle. Durch die unterschiedliche Herkunft der GärtnerInnen und deren Vorlieben, entsteht auf kleinem Raum eine beachtliche Biodiversität. Aus ökologischer Sicht ist das gemeinsame Gärtnern erstrebenswert, da in einem urbanen Kontext Pflanzen angebaut werden, die im städtischen Umfeld oft längst in Vergessenheit geraten sind. Der ökologisch-verträgliche Alltag fließt ins Privatleben der GärtnerInnen mit ein. Nicht zuletzt bieten die gemeinsamen Gärten den StadtteilbewohnerInnen die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen und den Bezirk und somit das Stadtbild interkulturell und aktiv mitzugestalten.

Gemeinsame Basis

Hinter dem bunten Garten in Birgits Innenhof steht kein von öffentlicher Stelle initiiertes Projekt. Das gemeinsame Jäten und Pflanzen im Kreise der Hausbewohner hat sich ganz natürlich und langsam entwickelt. Obwohl die Organisation der Beete noch nicht immer optimal funktioniert, bedeutet der Garten den BewohnerInnen sehr viel. "Unser Hof mit dem Garten fördert die Zusammengehörigkeit in unserem Haus, er ist unsere gemeinsame Basis," stellt Birgit zufrieden fest. "Dass man seine Nachbarn nicht kennt und gar nicht miteinander spricht - diese Anonymität möchte ich nicht haben."