Manchmal sind Entscheidungen ziemlich komplex und die Konsequenzen politischer Handlungen gar nicht so leicht vorherzusehen. Doch dass die politische Führung eines Kontinents mit einem Strich gleich alle Ziele verfehlt und die Krise auch noch verschärft, das kann mit Komplexität wirklich nicht mehr erklärt werden.

Die Rede ist natürlich von der griechischen Schuldenkrise und der Reaktion der EU. Der Notkredit für Athen verstößt nicht nur gegen das Bailout-Verbot in den europäischen Verträgen, er hat erwartungsgemäß keine Beruhigung an den Märkten gebracht. Im Gegenteil: Der Euro ist massiv unter Druck gekommen, und viele rechnen mit einem weiteren Verfall.

Auch die Eindämmung der Ansteckungsgefahr anderer Staaten der Währungsunion ging ziemlich daneben. Die Risikoaufschläge für portugiesische und spanische Staatsanleihen sind merklich gestiegen, was die Finanzierung der Budgetlöcher erschwert. Ein Teufelskreis, in den sich auch noch die Europäische Zentralbank begab, die künftig griechische Ramschanleihen aufsaugen will. Mit einem Paukenschlag wurden Verträge gebrochen, die Glaubwürdigkeit der Währungsunion ramponiert, Schuldenpolitik gutgeheißen und unverantwortliche Risikonahme pardoniert.

Ausgerechnet die EU-Spitzen machen nun jene "Spekulanten" für die Krise verantwortlich, denen sie mit dem Notkredit aus der Patsche helfen. Und vergessen dabei, dass es die Staaten sind, die ihre Budgetlöcher mit dem Geld der Investoren stopfen. Misstrauen Pensionsfonds, Lebensversicherungen und andere Anleger den Staatsfinanzen, verlangen sie höhere Renditen für ihr Geld. Das hat nichts mit Spekulation zu tun, sondern mit Vernunft.

Ebenso ins Leere geht die Debatte um die Ratingagenturen. So schwer deren Fehler beim Aufbau der Blase wiegen: Ein Verzicht auf die jüngsten Länder-Herabstufungen wäre grob fahrlässig gewesen. Vielmehr weckt die EU mit der Forderung nach einer europäischen Ratingagentur den Verdacht, eine willfährige Einrichtung kreieren zu wollen.
Den Märkten das Eurodebakel in die Schuhe schieben zu wollen ist durchsichtig und zieht nicht. Wer nach Banken auch Staaten auffängt, erhebt den "moral hazard", die Versuchung, zum Prinzip. Die Regierenden haben sich und den Bürgern gleich mehrfach ins Knie geschossen. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.5.2010)