Mit dem Finger statt einem Stift zu zeichnen "ist nur eine Frage der Gewohnheit": Oliver Schopf beim Zeichnen der Titelkarikatur des Standard.

Foto: Standard/Cremer

Das fertige Werk.

Karikatur: Oliver Schopf

Man braucht einen Augenblick um zu bemerken, dass der auf den überschlagenen Beinen des Karikaturisten Oliver Schopf aufgelegte Skizzenblock keiner ist. Sein Block ist ein iPad, Apples vielseitiges Medieninstrument, und sein Malkasten eine App namens Brushes. Damit gestaltete Schopf die Titelkarikatur des Standard am Samstag, den 8. Mai.

Brushes gab es schon für das iPhone, eine Zeichnung aus Schopfs digitaler Feder mit Innenministerin Maria Fekter war die erste Cover-Illustration einer Tageszeitung, die mit dem Apple-Handy gestaltet wurde. Das iPad, resümiert Schopf, "ist zum Zeichnen ideal. Die Größe ist die eines Skizzenblocks. Das größere Display, die exzellente Auflösung und die Möglichkeit, stark zu zoomen, machen sehr viel feinere Arbeit als auf dem iPhone möglich."

Größere Arbeitsfläche, mehr Tools

Nicht nur die größere Arbeitsfläche, auch mehr Werkzeuge geben ihm neue Möglichkeiten in die Hand, sagt Schopf. "Die Werkzeugspitzen der Pinsel wurden sehr professionell ergänzt. Statt drei Werkzeugspitzen mit konstanter Strichstruktur gibt es jetzt 20 Werkzeuge mit unterschiedlichen Strukturen", wie Tropfen, Strich, Nebel, Zacken oder Schraffuren, bei denen sich nebst der Breite auch Struktur und Helligkeit des Strichs verändern lassen.

Damit komme man der Qualität physischer Werkzeuge sehr nahe, beschreibt der Zeichner, "wenn man einen Strich schnell aufträgt, variiert die Strichqualität, wird in der Mitte dünner, am Rand stärker, erhält eine Charakteristik wie ein richtiger Federstrich". Zu den erweiterten Werkzeugen kamen auch andere technische Raffinessen, wie das Arbeiten in Ebenen (ähnlich Photoshop), die es zum Beispiel ermöglichen, einen Vorder- oder Hintergrund unabhängig von den gemalten Objekten darauf zu gestalten. Am iPhone war es bisher nur möglich, wie bei Ölmalerei Strich um Strich hinzuzufügen; frühere Striche konnten nur übermalt, nicht aber unabhängig von späteren Strichen bearbeitet werden.

Sinnlichkeit

"Für mich hat dies die Sinnlichkeit beim digitalen Arbeiten wieder gebracht. Es ist, als ob man mit einem Finger in einen Farbtopf taucht und damit über die Leinwand fährt", beschreibt Schopf. Einen "schwerwiegenden Nachteil" konstatiert er: "Unter freiem Himmel und Sonne ist es ungeeignet, man muss sich ein schattiges Plätzchen zum Arbeiten suchen."

Fertige Arbeiten werden per E-Mail verschickt; man kann auch ihre Entstehung als Videofilm darstellen. "Eine tolle Möglichkeit, man kann damit dem Künstler beim Arbeiten über die Schulter schauen und seine Technik beobachten." (Helmut Spudich, DER STANDARD Printausgabe, 8. Mai 2010)