Wien - Zur Griechenland-Hilfe gibt es im Moment keine Alternative, davon ist der Wirtschaftsprofessor Fritz Breuss von der Wirtschafts-Uni Wien überzeugt. Man müsse sich allerdings fragen, ob der vorgegebene Sparkurs für die Griechen, innerhalb von drei Jahren mehr als 30 Mrd. Euro einzusparen, nicht zu hart sei. Über die nächsten drei Jahre müsse man in Griechenland mit einer schweren Rezession rechnen, mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und einem Absinken der Kaufkraft, sagte Breuss in der ORF-Radiosendung "Im Journal zu Gast" am Samstag.
Dagegen wehren sich FPÖ und BZÖ weiterhin Sturm gegen die von den EU-Staaten beschlossene Griechenland-Hilfe. Davon würden die Banken und Versicherungen profitieren und niemand sonst, kritisierte FP-Chef Heinz Christian Strache in einer Aussendung am Samstag. Das Geld der österreichischen Steuerzahler hingegen verschwinde "auf Nimmerwiedersehen im Hades". Einzig gangbare Lösung sei, Länder wie Griechenland aus der Wärungsunion auszuschließen.
Beflügelt von einer deutschen Verfassungsklage will BZÖ-Obmann Josef Bucher auch die österreichische Griechenland-Hilfe auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit prüfen. Das BZÖ werde "alle Möglichkeiten ausschöpfen, damit kein Österreichisches Steuergeld versickert". Anhaltspunkte für eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Hilfszahlungen konnte man im BZÖ aber nicht nennen. Das werde jetzt geprüft, hieß es am Samstag. In Deutschland wurde ein "Eilantrag" gegen die Griechenland-Hilfe am Samstag vom Bundesverfassungsgericht abgeweisen.
Breuss: EU hätte Griechen "schon viel früher auf die Finger sehen" müssen
Die von verschiedenen Seiten erhobene Forderung, die Banken sollten auf einen Teil ihrer Forderungen gegenüber Griechenland verzichten, hält Wirtschaftsforscher Breuss nichts. Von solchen "Haircuts" wären insbesondere die französischen und die deutschen Banken betroffen, weniger die österreichischen, sagte Breuss. Aber wenn diese Banken dann Probleme bekämen, müssten ja wieder die Staaten eingreifen, "letztlich kommt es also aufs Gleiche hinaus", so der Wirtschaftsforscher. Außerdem kämen ja solche Schuldennachlässe einer Insolvenz gleich, und das wäre psychologisch ganz schlecht.
Kritik übte Breuss an der EU-Kommission und dem Rat der EU-Finanzminister (Ecofin), die Griechenland schon viel früher auf die Finger hätten sehen müssen. Man wisse ja schon seit 2004, dass sich Griechenland "in die Eurozone hineingeschwindelt" habe. Deshalb müsse es künftig stärkere Kontrollen geben und Eurostat müsse mehr Kompetenzen erhalten, um schon frühzeitig in die Budgetpolitik der Staaten Einblick nehmen zu können. Die EU-Kommission müsse ihr Personal aufstocken und viel kritischer sein als bisher.
Die Rolle der Spekulanten bei der aktuellen Schuldenkrise wird nach Ansicht des Wirtschaftsprofessors überschätzt. "Ich glaube auch, dass die Spekulanten nicht die Ursache waren, die sind lediglich dann auf den Zug aufgesprungen." Es habe sich aber gezeigt, dass die Finanzmärkte völlig unreguliert seien, dass müsse sich ändern.
Domino-Effekt auf Spanien und Portugal vorerst verhindert
Griechenland einfach pleitegehen zu lassen wäre eine schlechte Idee, meint Breuss: Dann würde der Euro schwächer werden und man müsste die Banken aus dem Budget retten. Österreich gebe ohnehin nur Kredite im Ausmaß von maximal 2,3 Mrd. Euro, und durch die Tatsache, "dass der IWF als Kontrollor dabei ist, kann man davon ausgehen, dass das Geld wieder zurückkommt".
Die Gefahr, dass es unmittelbar zu einem Domino-Effekt auf Spanien und Portugal kommt, hält Breuss nicht für groß. "Sie wäre größer gewesen, wenn wir Griechenland nicht geholfen hätten." Die Finanzmärkte seien bereits nervös und hätten mit Zinsaufschlägen auf die Anleihen dieser beiden Länder reagiert - nun würden sich Spanien und Portugal wohl bemühen, ihre Budgets in Ordnung zu bringen. "Wenn die in eine ähnliche Situation kämen, so hohe Zinsen zu zahlen, dass sie kein Geld mehr am Kapitalmarkt aufnehmen können, dann wäre die Eurogruppe überfordert und die Eurozone würde zerbrechen."
Dann könnte man sich vorstellen, dass die Eurozone zu jener Kernzone von Ländern schrumpft, die den optimalen Währungsraum darstellen würde - und das wäre nur eine kleine Gruppe von Ländern: Deutschland, Benelux, Österreich, Dänemark, Frankreich. Länder, die aus der Eurozone austreten würden, könnten zwar durch Abwertungen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, "aber ihr Schuldenproblem wäre dadurch nicht gelöst", erklärte Breuss. "Wir wären dann aber wieder in der Situation Anfang der 90er Jahre, als der Binnenmarkt auf der Kippe stand." Für einen funktionierenden Binnenmarkt brauche man eine Einheitswährung. Die werde es auch in fünf Jahre noch geben - "aber mit geregelten Finanzmärkten". (APA/Reuters)