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Facebook-Mitbegründer Mark Zuckerberg erläutert seine Vision der vernetzten Gesellschaft.

Foto: AP Photo/Marcio Jose Sanchez

Facebook stillt in vieler Hinsicht unser Bedürfnis nach Mitteilung. Fotos werden mit Freunden getauscht, mal kurz, mal länger gechattet oder die neuesten Erlebnisse in Statusmeldungen an die Bekanntschaft posaunt. Doch mit den Jahren sind die kommunikationsbedürftigen Netzwerker zunehmend zu Exhibitionisten geworden. In manch einem Anwender mögen diese Wesenszüge schon zuvor verankert gewesen sein, die Allgemeinheit dürfte ihre Intimitäten aber unfreiwillig an die Öffentlichkeit gewandt haben. Der Grund: Der Betreiber des größten sozialen Netzwerks mit rund 500 Millionen registrierten Nutzern veränderte mit Hilfe hochbezahlter Privacy-Experten schrittweise die Rahmenbedingungen der netzweiten Tratscherei, um aus einfachen Usern vermarktbare Zielgruppen zu machen. In einer Aufforderung nach Veränderung mit dem Titel "Facebook’s Gone Rogue" plädiert das US-Magazin Wired innezuhalten, nachzudenken und sich gegen das außer Kontrolle geratene System zu wehren.

Like the whole world

Tatsächlich wäre es technisch gar nicht so aufwändig ein neues soziales Netzwerk nach den Bedürfnissen der Nutzer auf die Beine zu stellen. Ein offenes, frei von kommerziellen Intentionen betriebenes Facebook nach dem Vorbild eines Wikipedia würde mit einem Schlag alles ändern. Doch wie realistisch ist es wohl, 500 Millionen Nutzer zum Übersiedeln zu bewegen? Wireds Aufschrei zielt daher mehr darauf ab, die Facebooker wachzurütteln. Seit Anfang des Jahres allein haben die Betreiber wesentliche Änderungen an den Datenschutzbestimmungen vorgenommen, welche die virtuelle Identität transparenter und damit vermarktbarer machen. 

Einige der Informationen, die ein Nutzerprofil beinhaltet, werden nun automatisch öffentlich gemacht. Das betrifft Ihren Namen, Ihren Wohnort, Ihr Profilfoto, die Namen Ihrer Freunde und die Seiten, denen Sie beigetreten sind. Seit April wurden die öffentlich einsehbaren Daten noch um Ihre bevorzugten Web-Inhalte erweitert. Über die "Like"-Funktion, die seit einem Monat auf zahlreichen Internetseiten zu finden ist, kann man bequem und rasch Artikel, Produkte oder andere Web-Inhalte markieren und mit der Facebook-Gemeinschaft teilen. Doch dabei bleibt es nicht. Dinge, die sie "mögen", erscheinen auch direkt auf dem öffentlich einsehbaren Profil. Die somit immer detaillierter gemeißelte Identität kann genauso von Werbetreibenden wie von Vorgesetzten oder Unbekannten eingesehen werden.

Undurchschaubar

Das Gegenargument der Betreiber lautet nach wie vor, dass man viele dieser Details mit den Datenschutzeinstellungen von Facebook verstecken kann. Wer jedoch schon einmal einen Blick in weit besser versteckten Menüs des Netzwerks geworfen hat, erhält recht rasch den Eindruck, dass die Damen und Herren rund um Mitbegründer Mark Zuckerberg gar nicht so sehr daran interessiert sind, dass Sie Ihr Online-Ich verschleiern. Wired kommentiert zynisch, man müsse einen "Master in Facebook" haben, um in diesem Privacy-Dschungel durchzublicken.

Würde Facebook wollen, dass Sie ihre Daten schützen, wäre dies alles andere als kompliziert. Vorgefertigte Einstellungen, wie "Ich will meine Daten nur mit Freunden teilen" oder "Ich will mein Profil mit der Öffentlichkeit teilen", könnten das Privacy-Chaos mit einem Schlag schlichten.

Kampf den Aufmüpfigen

Anstelle dessen setzen Facebooks Rechtsexperten alles in Bewegung, um den Nutzern die Kontrolle über deren Daten zu nehmen. Dienste wie die Web 2.0 Suicide Machine, die es ermöglichte sämtliche persönliche Daten aus Netzwerken wieder herauszulöschen, wurden abgestellt. Andere Unternehmen, die es erlauben die von Netzwerken gesammelten Daten einzusehen, werden verklagt, berichtet Wired.

Ein Blick hinter die Kulissen der Datenkrake mache daher eher nachdenklich als zuversichtlich. 14 Datenschutz-Gruppen haben bei der US-Wettbewerbsbehörde FTC bereits Beschwerden gegen Facebook eingereicht. Weit wichtiger wäre es jedoch, dass die Nutzer sich nicht jede Datenschutzänderung gefallen zu lassen. Der nächste Schritt wird sein, dass Facebook automatisch persönliche Daten an Dritte - "überprüfte Partner" - weitergibt. Die Frage ist, wer stärker ist: Das Netzwerk oder seine User. (zw)