Vilnius/Wien - Tränengas trübte ein wenig die Sicht auf die erste "Gay Pride"-Parade in der Geschichte Litauens. Den 500 AktivistInnen für die Rechte von Schwulen und Lesben standen am Samstag in der Hauptstadt Vilnius rund doppelt so viele GegendemonstrantInnen gegenüber. Viele davon mit "Kreuzen oder Hakenkreuzen" ausstaffiert, sagte die grüne EU-Parlamentarierin Ulrike Lunacek dem Standard. Sie und andere EU-PolitikerInnen, darunter die schwedische EU-Ministerin Birgitta Ohlson, nahmen als Ehrenschutz und als "politisches Signal" an der Parade teil.

Über 600 Polizisten, darunter berittene Einheiten, beschützten den halben Kilometer Marschroute der Demo. "Wir waren völlig eingekesselt und durften uns nicht frei bewegen", berichtete ein Teilnehmer. Rechtsradikale GegendemonstrantInnen versuchten, sich mit Gewalt Zutritt an den Ort der Parade zu verschaffen, und warfen eine Tränengasgranate in die Menge. Sie wurden verhaftet. Die Polizei setzte ihrerseits Tränengas ein, um das Vordringen der Rechtsradikalen zur Parade zu verhindern. Petras Grazulis, ein litauischer Parlamentarier, überwand die Absperrung, und ohrfeigte einen Schwulen-Aktivisten. Aufgrund seiner Abgeordneten-Immunität konnte er nicht verhaftet werden. Nach zwei Stunden Laufzeit wurde die "Pride"-Parade von der Polizei aufgelöst, die Teilnehmer wurden mit Bussen vom Demo-Gelände weggebracht.

Verbot erst kurzfristig aufgehoben

Im mehrheitlich katholischen Litauen sind laut Umfragen zwei Drittel der Bevölkerung gegen die "Gay Pride" eingestellt. Im Juni 2009 passierte ein umstrittener Entwurf das litauische Parlament, welches das "Propagieren von Homosexualität gegenüber Jugendlichen" unter Strafe stellt. Bisherige Versuche, einen Homosexuellen-Parade in Litauen zu organisieren, scheiterten am "Nein" der Stadtverwaltung von Vilnius. Erst vergangene Woche verbot ein Gericht den Marsch aus Sicherheitsgründen, erst Stunden vor Beginn am Samstag konnte eine Aufhebung des Verbots erwirkt werden, nachdem die Polizei für die Sicherheit der Demonstranten garantierte. Der Marsch sei "ein Sieg der Versammlungsfreiheit" gewesen, sagte Ulrike Lunacek, auch wenn er "völlig abgeschottet" stattfand. (Alexander Fanta, DER STANDARD, Print, 10.5.2010)