Houston/Leoben/Wien - Der Versuch, dem Ölleck im Golf von Mexiko eine Stahlbetonglocke überzustülpen und die schmierige Flüssigkeit abzupumpen, ist vorerst missglückt - und mit jedem Tag werden die Folgen der Explosion der Ölbohrplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko verheerender. Nach Angaben des Konzerns hat das Desaster BP bisher 350 Millionen Dollar (275 Mio. Euro) gekostet. In dieser Summe enthalten seien die Entlastungsbohrung, die Eindämmung des Öls und Unterstützung für die US-Bundesstaaten an der Küste. Einige Analysten hatten die Kosten deutlich geringer eingeschätzt, andere wiederum höher. Über die Endsumme wollte BP am Montag nicht spekulieren.

Nach wie vor ist unklar, wie teuer die Haftpflichtschäden werden könnten. Diese könnten auch andere Unternehmen betreffen, beispielsweise die Firma Cameron International. Sie baute die sogenannten Blow-out-Preventer der "Deepwater Horizon", die verhindern sollten, dass es nach einem Gasaustritt zu einer Explosion kommt. Die Financial Times Deutschland berichtet, Familienangehörige der Arbeiter, die beim Unglück verletzt oder getötet wurden, hätten das Unternehmen verklagt. Zudem könne der Firma auch eine Mitschuld für die Umweltverschmutzung durch austretendes Öl angelastet werden.

13 Millionen Liter Rohöl im Meer

Bis Sonntag waren mehr als 13 Millionen Liter Rohöl aus der Öffnung in 1500 Metern Tiefe ins Meer gelangt. Mit jedem Tag werden es etwa 800.000 Liter mehr - was BP fieberhaft zu stoppen versucht. "BP scheint sich abenteuerlicheren und möglicherweise auch teureren Lösungen zuzuwenden", sagten Analysten von BOA Merrill Lynch. Eine - allerdings nicht favorisierte Option wäre, die Steigleitung, durch die zur Plattform verlaufen war, abzukappen und durch eine größere zu ersetzen.

Eine andere Idee wäre, das Leck mit Beton und Lehm abzudichten. Für Gerhard Thonhauser, Professor für Tiefbohrtechnik und Produktionssondentechnologie an der Montanuniversität Leoben, klingt dies "etwas abstrus". Den am Wochenende gescheiterten Versuch, eine Stahlbetonglocke abzusenken und über deren oberes Ende das Öl abzusaugen, hält er dagegen "im Grunde für eine gute Idee".

Dass BP in dieser Situation erst Lösungen erproben muss, erklärt Thonhauser damit, dass eine "einzigartige Situation" vorliege, die "nicht vorhersehbar" gewesen sei, für die man daher "nicht geübt" habe. "Das Ungewöhnliche ist, dass die Stelle einerseits außergewöhnlich tief ist und andererseits der Ausfluss des Öls offenbar nicht über das Ventil verläuft" - weshalb die Sicherheitsventile in diesem Fall auch nichts gebracht hätten.

Am Dienstag und Mittwoch finden im US-Kongress Anhörungen zur Katastrophe statt, zu denen auch führende BP-Mitarbeiter erwartet werden. Inzwischen ist das Öl an der Küste angekommen. Laut Greenpeace hat es das Mississippi-Delta erreicht. (Gudrun Springer/DER STANDARD-Printausgabe, 11.5.2010)