London - Im Ringen um die Regierungsbildung in Großbritannien hat der konservative Spitzenkandidat David Cameron eine schnelle Koalitionsentscheidung der Liberaldemokraten gefordert. "Die Zeit der Entscheidung für die Liberaldemokraten ist gekommen", sagte Cameron am Dienstag in London. Die Liberaldemokraten werden sowohl von den Konservativen als auch von der Labour-Partei umworben. Parteichef Nick Clegg sagte am Dienstag, die "kritische und entscheidenden" Phase der Verhandlungen habe begonnen. Er erwarte "so gespannt wie alle anderen" das Ergebnis der Gespräche.

Entscheidung in den kommenden 24 Stunden

Vermutlich werde es in den nächsten 24 Stunden eine Entscheidung über eine neue Regierung geben, hieß es am Dienstag aus Kreisen der Liberaldemokraten. Simon Hughes von den Liberalen sagte, er hoffe, "heute oder morgen" werde eine Einigung zwischen den Parteien erreicht. Die Liberaldemokraten - die zuvor nur mit den konservativen Tories über ein Bündnis verhandelt hatten - hatten am Montag auch offiziell mit Labour Gespräche aufgenommen.

Olympia-Ministerin Tessa Jowell von Labour sagte dem Sender BBC: "Ich kann Ihnen nicht sagen, was die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen den Liberaldemokraten und Labour sein könnten." Premierminister Gordon Brown hatte am Vortag seinen Rücktritt als Chef der Labour-Partei angekündigt und die Verantwortung für die schwere Wahlschlappe seiner Partei übernommen. Die Tories waren als stärkste Partei aus der Wahl am Donnerstag hervorgegangen, hatten aber die absolute Mehrheit verfehlt. Weil keine der beiden großen Parteien alleine regieren kann, sind sie auf ein Bündnis mit den Liberalen angewiesen.

Tory-Minderheitsregierung unwahrscheinlich

Tory-Schattenminister George Osborne sagte, eine Minderheitsregierung seiner Partei ohne die Unterstützung der Liberalen sei unwahrscheinlich. "Für eine Minderheitsregierung bräuchten wir die Zustimmung der Liberaldemokraten."

Bei Labour reagierten allerdings nicht alle begeistert auf die Aussicht, dass die Koalitionsverhandlungen mit den Liberaldemokraten erfolgreich verlaufen und die Partei damit an der Regierung bleiben könnte. Eine "Koalition der Geschlagenen" könne zu einem Desaster für Labour werden und die Partei bei künftigen Parlamentswahlen ruinieren, sagte der frühere Labour-Innenminister David Blunkett.

Offen blieb am Dienstagmorgen zunächst auch, wer Nachfolger von Brown als Parteichef werden könnte. Vize-Chefin Harriet Harman sagte, sie stehe nicht zur Wahl. Brown hatte gesagt, er hoffe, dass spätestens beim Parteitag im Herbst ein neuer Vorsitzender feststehe. In den Wettbüros wurde der amtierende Außenminister David Miliband bereits als Nachfolger gehandelt. (APA)