Bundesforste-Vorstände Georg Erlacher (rechts) und Georg Schöppl (links) stellten sich den "Bomben-Fragen" der drei Schüler.

Foto: Rene van Bakel

Die Interviewer: Yanick Pistora (13, Foto re.) besucht die Kooperative Mittelschule Friesgasse und ist Mitglied beim Alpenverein/Gebirgsverein, ebenso Tanja Geßl (13, Foto li.). Sie ist Schülerin am Gymnasium GRg 17 Parhamerplatz. Elisa Volpini (14, Foto Mitte) besucht das BG Wasagasse und ist Pfadfinderin.

Foto: Rene van Bakel

Elisa Volpini (li.) ist Mitglied bei den Pfadfindern, Yanik Pistora (Mi.) beim Alpenverein/Gebirgsverein, ebenso wie Tanja Geßl (re.): Gemeinsam bereitensie sich vor, die Vorstände der Österreichischen Bundesforste, Georg Schöppl und Georg Erlacher, mit Fragen zu bombadieren. Welche das sind und welche Antworten die beiden Herren den jungen Schülern
gaben, lesen Sie auf den folgenden beiden Seiten.

Foto: Rene van Bakel
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Was aus dem Waldsterben wurde, wohin der Wald der Zukunft wächst und was Nachhaltigkeit bedeutet, beantworten Georg Erlacher und Georg Schöppl im Interview.

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Yanick Pistora: Wie groß können wir uns die Fläche vorstellen, die die Österreichischen Bundesforste bewirtschaften? 

Georg Schöppl: Wir bewirtschaften rund 855.000 Hektar, das ist jeder zehnte Quadratmeter in Österreich. Bei den Seen sind es 70 Prozent. Die Chance, dass ihr im Sommer in ein bundesforstliches Gewässer hüpft, steht also 7:3.

Elisa Volpini: Wie viele Menschen arbeiten derzeit bei den Bundes-forsten, und wie viele Försterinnen sind -darunter?

Schöppl: Wir haben 1219 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Leider ist die Forstwirtschaft noch immer sehr männlich dominiert in Summe arbeiten 155 Frauen bei den ÖBf. Zu den 16 Försterinnen sind vor kurzem zwei Forstrevier-eiterinnen gekommen. Bei gleicher Qualifikation geben wir Frauen den Vorzug.

Yanick: Welche Berufschancen bieten die Bundesforste?

Schöppl: Bei uns gibt es über die klassische Forstarbeit hinaus mehr Berufe, als man glauben möchte. Für die Verwertung unserer rund 60.000 Grundstücke, mehr als 4000 Gebäude und unserer Seen brauchen wir Immobilienspezialisten. Top-Fachleute sind bei auch bei Jagd und Fischerei gefragt. Für den Dienstleistungsbereich brauchen wir Leute, die den Wald für andere bewirtschaften, und fürs Consulting Experten, die von Osteuropa bis nach Indonesien fahren und dort ihr Wissen über Wald, Natur und Klimaschutz weiter-geben. Wir beschäftigen uns aber auch mit erneuerbarer Energie, zum Beispiel Biomasse, Wasserkraft und Windkraft.

Elisa: Wie geht es den österreichischen Wäldern und Gewässern heute? Was ist aus dem berüchtigten Waldsterben aus den späten 1980er-Jahren geworden?

Georg Erlacher: Das Waldsterben hat Gott sei Dank an Brisanz verloren. Das Thema wurde damals heftig diskutiert und in die Öffentlichkeit getragen. Im Nadelwald hat man gesehen, dass die Kronen lichter werden oder Bäume gar absterben. Mit Maßnahmen wie Katalysatoren und Partikelfiltern bei Autos hat man deutliche Verbesserungen erreicht. Aber auch in der Industrie sind bei Emissionen und Abwässern dramatische Verbesserungen erzielt worden. Heute haben fast alle Gewässer Trinkwasserqualität.

Tanja Geßl: Was bedeutet es, Wälder und Gewässer nachhaltig zu bewirtschaften?

Erlacher: Der Begriff Nachhaltigkeit wurde von der Forstwirtschaft schon im 19. Jahrhundert geprägt. Die klassische Bedeutung ist, dass man dem Wald nur soviel entnimmt, wie wieder nachwächst. Heute wird der Begriff viel breiter verstanden und bedeutet auch, dass man ökonomisch erfolgreich ist und das Unternehmen ökologisch und im Sinne der Gesellschaft führt. Für uns heißt es, dass man die Natur nicht über Gebühr strapaziert, sodass auch zukünftige Generationen in den uneingeschränkten Genuss ihrer "Leistungen" kommen.

Schöppl: Die Bäume, die wir heute pflanzen, werden wir in rund 125 Jahren ernten. Den Nutzen daraus werden eure Enkelkinder ziehen. Ihr kennt vielleicht den Generationenvertrag aus dem Pensionssystem, wo die Arbeitenden für jene, die in Pension gehen, einzahlen. So eine Art Generationenvertrag haben wir auch in der Forstwirtschaft. Bei uns funktioniert er allerdings schon seit Jahrhunderten gut - und wir arbeiten daran, dass es so bleibt.

Tanja: Wenn ich heute durch den Wald gehe, habe ich den Eindruck, dass noch immer Fichten in Monokultur gepflanzt werden!

Erlacher: Es wird immer wieder kritisch angemerkt, dass wir in Österreich zu viele Fichten haben. In manchen Regionen, wo eher Laub- und Mischwälder vorkommen sollten, wurden tatsächlich - auch aus wirtschaftlichen Überlegungen - Fichtenwälder gepflanzt. Aber der größte Teil ist natürlich. Die Fichte
ist der richtige Baum für Höhenlagen von circa 600 Metern bis zur Waldgrenze und wird auch in Zukunft das Waldbild prägen. Dort, wo sie keinen optimalen Standort hat, verschwindet sie - auch bedingt durch den Klimawandel - nach und nach. Man merkt, dass man nicht gegen die Natur arbeiten kann.

Schöppl: Ich bin ein Fan der Fichte. Sie ist ein toller Baum und liefert schönes Holz zum Bauen oder für Möbel. Man muss sie aber dort pflanzen, wo sie hingehört.

Yanick: Welche Katastrophen waren in den letzten Jahren die schlimmsten für die Bundesforste?

Erlacher: Wenn wir das zu Ende gehende Jahrzehnt Revue passieren lassen, dann hat es 2002 mit einer Windwurfkatastrophe begonnen. 2003 folgte ein sehr heißes, trockenes Jahr mit einem Rekordsommer. Das hat den Wäldern zusätzlich zugesetzt. In den Folgejahren hatten wir dauernd mit dem massenhaften Auftreten des Borkenkäfers zu kämpfen. Im Jänner 2007 ist schließlich der Sturm "Kyrill" gekommen, 2008 "Paula" im Jänner und "Emma" im Feber. Das hat uns gezwungen, weit über unsere nachhaltig geplante Menge hinaus Holz zu ernten. Das wird noch Jahrzehnte nachwirken. Die Aufarbeitung erfordert von unseren Mitarbeitern - die das übrigens mit Bravour bewältigt haben - Kraftakte. Zum Beispiel bei der Holzernte, aber auch bei der Aufforstung. Zum Teil musste das Holz aus unwirtlichem Gelände sogar mit dem Hubschrauber geborgen werden.

Schöppl: 2008 kam die Wirtschaftskrise dazu, die wir auch 2009 intensiv gespürt haben. 80 Prozent des Holzes unserer Hauptkunden - der Sägeindustrie - geht in die Bauwirtschaft. Wenn es dieser gut geht, geht es auch der Holzwirtschaft und damit uns gut.

Yanick: Wie bereiten sich die Bundesforste auf das Thema Naturkatastrophen vor?

Erlacher: Wir haben gelernt, mit solchen Ereignissen umzugehen. Wir können sie nicht verhindern, aber wir können unsere Wälder darauf vorbereiten, indem wir die richtigen Baumarten pflanzen und sie so pflegen, dass sie widerstandsfähiger sind. Im Bereich der Gewässer versucht man darüber hinaus zu renaturieren, also den natürlichen Zustand möglichst wieder herzustellen.

Yanick: Hat der Klimawandel auch etwas mit den Stürmen in den letzten Jahren zu tun?

Erlacher: Wir gehen davon aus. Auch wenn die Meinungen darüber noch auseinandergehen. Wer den Klimawandel nicht so recht wahrhaben will, sagt, das hat es schon immer gegeben. Wir haben aber klare Signale für die Veränderung. So wandert etwa die Baumgrenze nach oben. Wir hatten laufend Rekordsommer, Rekordniederschläge, Rekordstürme - das sollte uns zu denken geben.

Schöppl: Wir haben eine Studie gemacht, die zeigt, dass auch unsere Gewässer wärmer werden. Der Trend wird sich fortsetzen. Sehr kalte Seen wie der Hallstätter- oder der Traunsee werden in 50 Jahren so warm sein wie heute die berühmten Kärntner Badeseen.

Elisa: Wird sich der Wald durch den Klimawandel in den nächsten 100 Jahren verändern?

Erlacher: Ja, und er hat sich auch schon verändert. Der Forstmann kann die Baumartenmischung - von der er ausgeht, dass sie für die Zukunft am besten geeignet ist - gut steuern. Heute haben wir nahezu zehn Prozent mehr Laubholz als vor zwanzig Jahren. Die Baum-artenzusammensetzung unserer Wälder ist einem dynamischen Veränderungsprozess unterworfen.

Elisa: Werden bestimmte Tierarten ganz aussterben?

Erlacher: Die Tier- und Pflanzenwelt ändert sich laufend, aber durch den Einfluss des Menschen hat sich diese Entwicklung beschleunigt. So hat man früher viele Moore trockengelegt. Dadurch haben auch viele Tiere und Pflanzen ihren Lebensraum verloren. Wir haben schon in den 90er-Jahren alle unsere 470 Moore unter Schutz gestellt und uns bemüht, Eingriffe rückgängig zu machen. Zudem gibt es rote Listen, die gefährdete Tier- und Pflanzenarten erfassen, um zusätzliche Sensibilität für die Gefährdung dieser Arten zu schaffen. Wir sind als einziger Forstbetrieb weltweit dem "Countdown 2010" beigetreten, einer Initiative mit dem Ziel, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen.

Tanja: Warum haben Luchs, Wolf oder Braunbär in Österreich so geringe Chancen, sich wieder gut anzusiedeln?

Erlacher: Es gibt schon Bären, Luchse und seit kurzem auch wieder Wölfe, aber die Menschen sind darauf nicht ausreichend vorbereitet. Die Rahmenbedingungen für eine friedliche Koexistenz zwischen Menschen, Raubtieren und anderen Tieren müssen erst wieder geschaffen werden. Zum Beispiel müssen Rehe erst wieder lernen, dass Wolf oder Bär natürliche Feinde sind. Jäger sehen in den Raubtieren manchmal Konkurren-ten. Zuwanderer sind aber Gäste, die man fair behandeln soll.

Tanja: Wie viele Wildtiere gibt es in Österreich, und wie werden sie gezählt?

Erlacher: So genau weiß das niemand. Man bedient sich da ver-schiedenster Erfassungsmethoden wie der Beobachtung repräsentativer Flächen, der Zählung von Rehen und Hirschen bei der Fütterung oder der Stückzahl erlegter Tiere. Auch die Besenderung von Tieren oder die Markierung bei Vögeln gibt uns einen Überblick. Bei Ansiedelungsprojekten wie etwa beim Habichtskauz sehen wir auch, ob diese Art in freier Natur überleben kann. Was wir sicher wissen: Bei uns werden im Jahr rund 30.000 Stück an Rehwild, Rotwild, Gämsen und Wildschweinen erlegt. Trotzdem nimmt der Wildbestand regional zu.

Tanja: Welche Arten werden geschützt?

Erlacher: Wir haben zahlreiche Schutzprogramme. Aber man muss sich auf einige besonders gefährdete Arten konzentrieren. Beim Schwarzstorch im Wienerwald wissen wir genau, wie viele es sind und schauen, dass keine Brutplätze zerstört werden. Geschützt werden aber auch Blumenwiesen, Gelbbauchunken oder bedrohte Pflanzenarten. Wir machen die Menschen darauf aufmerksam, behalten aber auch so manches Naturgeheimnis für uns, damit Tiere und Pflanzen ungestört bleiben.

Yanick: Schädlinge machen den Waldbesitzern ziemlich zu schaffen. Wie verbreitet ist der Borkenkäfer?

Erlacher: Der Borkenkäfer hat sein Verbreitungsgebiet in den letzten Jahren enorm ausgeweitet. Alles, was ich diesbezüglich bei meinem Studium in den 80er-Jahren gelernt habe, gilt heute nicht mehr. Zum Beispiel vermehrt sich der Bor-kenkäfer heute besonders stark in Höhenlagen zwischen 1000 und
1500 Metern. Der Sturm hat gerade dort sehr viele Schäden verursacht und den Borkenkäfer angelockt. Aus einem Borkenkäfer können in einem Jahr 100.000 werden. Wir haben also Milliarden davon in den Wäldern.

Yanick: In der Natur treffen verschiedene Interessen aufeinander. Tiere und Wald brauchen es ruhig, Men-schen wollen ihre Freizeit genießen. Kann das reibungslos funktionieren?

Schöppl: Da gibt es zwei Zauberworte. Das eine ist Rücksichtnahme, denn der Wald ist groß genug für uns alle. Das zweite ist Interessenausgleich, nämlich die Ansprüche der verschiedenen Nutzergruppen wie zum Beispiel Wanderer, Mountainbiker und Jäger unter einen Hut zu bringen.

Tanja: Wir sind als ÖGV-Familien-Gruppe oft in der Natur unterwegs. In Österreich gibt es die Wegefreiheit. Müssen wir trotzdem etwas beachten? Was bedeuten eingezäunte Waldflächen?

Schöppl: Das Wichtigste ist: Man soll den Wald so intakt hinterlassen, wie man ihn vorgefunden hat. In junge Kulturen bis zu eineinhalb Metern Höhe sollt ihr nicht hineingehen. Eingezäunt werden gewisse Flächen, um sensible Baumarten aufzuziehen oder um zu beobachten, wie sich der Wald ohne Wildeinfluss entwickelt. Auch dort, wo das Rotwild geschützt überwintern kann, sind Zäune. All diese Flächen sollte man nicht betreten.

Elisa: Wir sammeln auch gerne Beeren, Blumen oder Pilze. Dürfen wir das?

Schöppl: Grundsätzlich ja. Aus Rücksicht auf andere und auf die Natur darf man bei uns für den Eigenbedarf sammeln. Ein Waldbesitzer kann sich allerdings dafür entscheiden, dass er das nicht will. Da muss er mit Schildern deutlich darauf hinweisen.

Yanick: Was stellt dieses "Mapserl" an Ihrem Sakko dar?

Schöppl: Das ist unsere Bildmarke, unser Logo. Es zeigt unsere drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. Das eine ist die Natur, versinnbildlicht durch die Höhenschichtlinien. Die zweite Dimension ist Mensch/Gesellschaft - dafür steht der Fingerabdruck. Die dritte Dimension ist die Wirtschaft. Wir sind ja ein Unternehmen, das auch Geld verdienen muss: Daher sind die Ringe Baumringe, die man sieht, wenn man einen Baum umschneidet.