Die IT-Branche hat die Krise überwunden. Die Arbeitsbedingungen für die Menschen in den Fabriken (im Bild thailändische Arbeiter bei der Festplattenproduktion) bleiben weiterhin schlecht.

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Die IT-Branche hat die Krise hinter sich gelassen und schreibt erneut Milliardengewinne. Wo Gewinner, sind jedoch meist auch Verlierer. In diesem Fall die Menschen in Mexico, Thailand und all jenen Ländern, in denen große Computer- oder Handyhersteller wie IBM, Microsoft, Hewlett-Packard, Panasonic Dell oder Lenovo ihre Geräte zu niedrigen Mindestlöhnen zusammenbauen lassen. "Die Erholung der Elektronikindustrie geht Hand in Hand mit noch schlechteren Arbeitsbedingungen in den Fabriken", sagt Rubenia Figueroa, Mitarbeiterin der Arbeitsrechtsorganisation Cereal aus Mexiko.

Prekarisierung der Arbeitsbedingungen

Wie schon bei anderen Krisen davor, reagierten die mexikanischen Fertigungsunternehmen auf den enormen Auftragsrückgang von 40 Prozent mit der Verbilligung der Produktionskosten und einer Prekarisierung der Arbeitsbedingungen, um neue Investoren anzuziehen. "Ende 2009 wurden1500 Leute bei uns entlassen", berichtet Merejilda Mora, eine IT-Arbeiterin aus Guadalajara. "Für die ihnen zustehenden Abfertigungen mussten sie eine Verzichtserklärung unterschreiben. "Sie beugten sich dem aus Angst, ihre Namen sonst auf einer schwarzen Liste zu finden, die es ihnen schier unmöglich macht, woanders Arbeit finden", erzählt Mora, die sich derzeit mit Figueroa auf Einladung der entwicklungspolitischen Organisation Südwind in Österreich aufhält.

72 Stunden pro Woche

Mora verdient für ihre Arbeit in einem Unternehmen, das Blackberry-Smartphones repariert, sechs Euro am Tag. Das ist zwar das Doppelte des vorgeschriebenen Mindestlohns in Mexiko. Doch um ihre Kosten zu decken, kommt sie nicht umhin, zu ihrer 48-Stunden-Woche weitere 16 bis 24 Stunden zusätzlich zu arbeiten. Zwar haben die drei Marktgrößen HP, IBM und Dell 2004 einen brancheneigenen Electronic Industry Code of Conduct (EICC) verabschiedet, der mittlerweile von mehr als 40 Unternehmen übernommen wurde. "Der EICC weist jedoch viele Defizite auf und wird zudem laufend verletzt", kritisiert Andrea Ben Lassoued von Südwind. "Der Kodex sieht zwar eine 60-Stunden-Woche vor, die nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf. Wer aber mit seinem Lohn nicht überleben kann, lebt ständig in einer Ausnahmesituation, die ihn dazu zwingt, mehr zu arbeiten".

In der Hand der Abnehmer

Dies zu ändern, liegt auch in der Hand der Abnehmer der Produkte. Etwa, indem zentrale Einkaufsbehörden Druck auf Markenfirmen ausüben und sich für sozial fair produzierte Geräte einsetzen. Die 110 Mio. Euro, die in Österreich jährlich im öffentlichen Bereich für den Kauf von IT-Hardware ausgegeben werden, böten einen wirkungsvollen Hebel. Mit einer Postkartenaktion will Südwind die Beschaffer wachrütteln. (Karin Tzschentke, DER STANDARD/Printausgabe, 11.5.2010)