In der HSH Nordbank Arena steigt das Europa League-Finale 2009/10

Foto: derStandard.at/Tom Schaffer

Mit Roy Hodgsons (r.) Fulham...

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...und Quique Flores' Atletico Madrid...

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...aber ohne den HSV.

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Hodgson gibt beim Abschlusstraining den Ton an.

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Diego Forlan (l.) will wieder Tore schießen.

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"Wir sind wieder mal die Deppen Europas", titelt die großformatige, deutsche Zeitung die der Busfahrer in der Pause vor seiner Route zur HSH Nordbank Arena liest. Gemeint ist in diesem Fall nicht, dass in Hamburg ein Europa League-Finale ohne deutsche, ja noch konkreter gar ohne Hamburger Beteiligung stattfindet, sondern die Euro-Garantien des deutschen Staates.

Aber das Wort "Deppen" fällt in diesem Bus auch in diesem Zusammenhang. Mitfahrer K. sagt es über den HSV und schaut dabei so trüb, dass es wie mit dem Wetter abgestimmt wirkt. Kalte 9°C lassen im Moment Besucher erzittern. Es scheint, die Hansestadt und ihre Bewohner haben der heimischen Mannschaft und der Welt noch nicht ganz verziehen, dass das Endspiel im eigenen Stadion verpasst wurde.

Anspruch und Realität

Der FC Fulham war bekanntermaßen im Halbfinale der Stolperstein am Weg dorthin. Das Team gilt als Überraschung der Europapokal-Saison, obwohl Premier League-Beobachtern das Mannschaftspotential durchaus schon vergangene Saison aufgefallen ist. Die "Cottagers" beendeten die Meisterschaft diesmal als Zwölfte, Atletico wird in Spanien bestenfalls Neunter. Und so führt für die Europa League-Finalisten der Weg in den Bewerb des kommenden Jahres über den Sieg im Endspiel (die Madrilenen haben noch eine gute Chance im spanischen Cup). Quique Flores spricht von einer Saison mit "schwierigen Momenten", die trotzdem den ersten europäischen Finaleinzug seit 24 Jahren brachte.

Fast genauso lange hat kein Engländer als Coach einen europäischen Pokal gewonnen. Hodgson könnte das ändern, wurde in England gerade zum Trainer des Jahres gewählt, und ist seinerseits auch dementsprechend zufrieden: Egal was im Endspiel passiere, "es war eine gute Saison", der man morgen „das letzte Stück" zufügen könne. Für den kleinen Klub aus London ist so ein Finale merkbar etwas besonderes, es sei "nicht häufig, dass Mannschaften wie unsere hier stehen".

Während das Finalgefühl für die Fulham-Fans neu ist, hat es so mancher Spieler bereits erprobt. Kapitän Danny Murphy siegte zum Beispiel mit Liverpool in einem denkwürdigen Finale 2001, Torhüter Mark Schwarzer verlor den Pokal mit Middlesborough 2006: "Ich hoffe diesmal mit einer besseren Erinnerung nach hause zu fahren". Hodgson unterlag mit Inter 1997 erst im Elfmeterschießen, und ist - Präsident Moratti möge ihm verzeihen - "noch stolzer mit Fulham hier zu sein".

Die Stärke der Mannschaft liegt - wie sowohl Atleticos Stürmerstar Diego Forlan als auch Trainer Quique Flores anerkennend bemerken - in "der starken Physis". Die Madrilenen nennen kein konkretes Gegenmittel, haben vor den Londonern das Spiel der Rotweißen aufzuzwingen. Auf die Standards habe man sich dann aber doch besonders vorbereitet.

Personifizierter Unterschied

Es treffen in dieser Nacht in Hamburg nicht nur Klubs aus den möglicherweise besten Ligen der Welt aufeinander, sondern auch zwei Fußballschulen und -welten: "Spanischer Stil gegen englische Stamina", wie es ein Journalistenkollege ausdrückt. Schon die Trainer verkörpern den Unterschied. Auf der einen Seite der als Spieler eher erfolgslose, als Trainer hochrenommierte Hodgson bei einer seiner letzten Stationen (kürzlich war er bei Liverpool als möglicher Rafael Benitez-Nachfolger im Gespräch) - einem kleinen Klub, den er mit akribischer taktischer Arbeit zum historischen Höhepunkt führte. Der 62-jährige sitzt beim Pressegespräch im Trainingsanzug, später im Abschlusstraining steht er mit roten Stutzen und kurzer Hose am Feld, kreist um seine Spieler und weist seine Mannschaft lautstark an.

Auf der anderen Seite der Ex-Real Madrid und Valencia-Spieler Flores, der noch elegant angezogen in der Pressekonferenz sitzt, während seine Mannschaft schon beim Training aufwärmt, und dann am Feld selbst ein paar Flanken schlägt. Die 45-jährige spanische Trainerhoffnung, die einen Klub mit großer Geschichte aus einer verkorksten Saisonstart gerettet hat.

Was den Teams und Trainern gemeinsam ist, ist der gegenseitige Respekt. "Wir denken nicht, dass wir Favoriten sind", meint Flores (dessen Mannschaft in Wettbüros etwas bevorteilt wird) während sein Stürmer Forlan von "einem großen Gegner" spricht. "Wir müssen in Topform sein", stellt auch Hodgson fest, ehe er verspricht: "Es wird ein hochkarätiges Finale". (Tom Schaffer aus Hamburg, derStandard.at, 11.5.2010)