Mit sieben bis acht Jahren können Kinder sagen, dass eine Banane auch Obst ist, egal welche Farbe sie hat.

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Menschen können nicht nur über Aufgaben, andere Lebewesen oder Konzepte nachdenken, sondern auch über das Denken selbst. Metakognition nennt sich diese Fähigkeit, und mit der Anlage dazu kommen wir zwar auf die Welt, zur Verfügung steht sie uns aber erst nach einiger Entwicklungszeit. In welchem Alter sie frühestens vorhanden ist, war bislang strittig. Salzburger Psychologen sind nun mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF der Antwort auf diese Frage nähergekommen.

Viele Studien haben sich damit befasst, ab wann Kinder die Wirklichkeit anderer richtig verarbeiten können, aber relativ wenig Aufmerksamkeit wurde bisher der Frage geschenkt, ab wann sie beurteilen können, was sie selbst wissen. Verschiedene Untersuchungen dazu brachten sehr unterschiedliche Ergebnisse: Von 2,5 bis sechs Jahren reichte die Palette. Um diese Unsicherheiten zu beseitigen, unterzogen Josef Perner vom Fachbereich Psychologie der Uni Salzburg und seine Mitarbeiter 92 Kinder im Alter zwischen drei und sieben Jahren zwei Experimenten mit jeweils drei Varianten. Es ging um eine Schachtel, in der ein Spielzeug versteckt wurde, wobei die Kinder in der sogenannten "Total Ignorance"-Aufgabe das Ding nie zu sehen bekamen und bei der "Complete Knowledge"-Aufgabe den Versteckvorgang beobachten durften. Bei der "Partial Exposure"-Aufgabe hingegen wurden den Kindern zwei Spielsachen gezeigt, von denen der Experimentator eine in die Kiste tat, ohne dass die Kinder wissen konnten welche. Bei jeder der drei Aufgaben wurden die kleinen Testpersonen gefragt, ob sie wüssten, was in der Schachtel liege.

Die Aufgabe, in der die Kinder gar nichts wissen konnten, machte keine Schwierigkeiten: Alle gaben bereitwillig ihre Ignoranz zu. Nach dem Grund ihres Unwissens befragt, reagierten die verschiedenen Altersgruppen jedoch unterschiedlich: Vor allem Kinder unter sechs Jahren, aber auch ein gewisser Prozentsatz der Sechs- und Siebenjährigen hatten Probleme, richtigerweise den Versuchsablauf dafür verantwortlich zu machen, und wichen lieber auf andere Erklärungen wie "Meine Mama hat es mir nicht gesagt" aus.

Während auch die "Complete Knowledge"-Aufgabe leicht zu bewältigen war, zeigten sich bei "Partial Exposure" deutliche Unterschiede. Hier gaben nur Sechs- und Siebenjährige richtige Antworten, während die Jüngeren zu wissen behaupteten, was in der Kiste lag, auch wenn sie es nicht wissen konnten. Auf die Frage, ob sie es wirklich wüssten oder sie nur rieten, beharrten die meisten auf echter Kenntnis, während der überwiegende Teil der älteren Kinder zugab, im Falle einer richtigen Antwort einfach Glück gehabt zu haben. Auch waren nur die Älteren imstande, ihre Unwissenheit damit zu rechtfertigen, dass sie zu wenig Information erhalten hatten.

Versteckte Wissenskonzepte

Um zu überprüfen, ob die Kleinen nicht einfach auf die 50-prozentige Chance, Recht zu haben, spekulieren, setzten Perner und seine Mitarbeiter ein zweites Experiment auf, bei dem es mehr Spielsachen gab, die versteckt werden konnten. Sessions, bei denen nur jeweils einer von drei, fünf oder zehn Gegenständen in die Kiste wanderte, senkten die "Gewinn-Chance" auf 33 bzw. 20 und zehn Prozent. Für die 101 Test-Teilnehmer änderte das aber nichts: Die Mehrzahl der unter Sechsjährigen bestand auch unter diesen Umständen darauf, den Inhalt der Schachtel zu kennen.

Den Grund für das Verhalten der jüngeren Testpersonen vermuten Perner und seine Mitarbeiter darin, dass diese einfach nur überprüfen, ob sie auf eine Frage eine wahrscheinlich klingende Antwort geben können, und diese dann mit Wissen gleichsetzen. Erst ab dem Schulalter entwickeln sie offenbar ein tragfähigeres Konzept von Wissen.

Perners Gruppe widmet sich auch einem zweiten Aspekt der Metakognition bei Kindern, der bislang kaum untersucht wurde, den sogenannten Identitäts-Statements. Darin geht es darum zu begreifen, dass eine Person (oder Sache) zwei voneinander unabhängige Identitäten haben kann, wie z. B. dass eine Mutter auch eine Ärztin oder Busfahrerin sein kann.

Perners Versuche dazu zeigten, dass Kinder erst ab einem Alter von etwa drei bis vier Jahren imstande sind zu verstehen, dass "Susis Mutter" auch die schon als Lehrerin bekannte Person in einer Geschichte sein kann und dass eine als Schaf verkleidete Katze nicht automatisch "bäh" schreit. Nichtsdestoweniger fangen viele Kinder erst mit sieben bis acht Jahren an zu begreifen, dass eine Rose auch eine Blume ist. Perner und seine Mitarbeiter halten es für möglich, dass die Kinder zwar relativ früh lernen, dass dieselbe Sache aus verschiedenen Perspektiven wahrgenommen werden kann, dass es aber länger dauert, bis sie verstehen, dass beide Perspektiven gleichzeitig richtig sein können. (Susanne Strnadl /DER STANDARD, Printausgabe, 12.05.2010)