Brüssel - Ungeachtet der jüngsten Turbulenzen in der Eurozone hat die EU-Kommission die Einführung der Gemeinschaftswährung in Estland mit Beginn nächsten Jahres empfohlen. "Estland hat einen hohen Grad an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht und ist für die Einführung des Euro am 1. Jänner 2011 bereit", erklärte Wirtschaftskommissar Olli Rehn am Mittwoch in Brüssel.

Die endgültige Entscheidung über den Beitritt Estlands zur Eurozone würden die EU-Finanzminister im Juli treffen, erklärte die EU-Kommission. Zuvor sollen die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel im Juni darüber beraten und das EU-Parlament seine Stellungnahme abgeben. Geben die anderen EU-Staaten grünes Licht, wäre Estland das 17. Land in der EU, das der Eurozone angehört.

Beitrittsbedingungen

Estland erfüllt nach Bewertung der EU-Kommission alle Bedingungen, um den Euro einzuführen. Die Empfehlung der EU-Kommission kommt nur drei Tage, nachdem die EU zum Schutz des Euro ein 500 Milliarden schweres Rettungspaket schnüren musste und dem Euro-Mitglied Griechenland mit 80 Mrd. Euro unter die Arme greifen muss, um einen Staatsbankrott abzuwenden.

Die Brüsseler Kommission kommt dennoch zu dem Schluss, dass Estland die Euro-Kriterien erfüllt. So sei die durchschnittliche Inflationsrate Estlands mit -0,7 Prozent "weit unter dem Referenzwert von 1,0 Prozent für diesen Monat und dürfte auch in Zukunft weit darunter bleiben", betont die Kommission. Die Preisstabilität wird als anhaltend bewertet. Estland müsse aber durch einen "ehrgeizigen finanzpolitischen Kurs" und durch Binnennachfrage weiter die Teuerung niedrig halten.

Während fast alle EU-Länder Defizitverfahren am Hals haben, bildet das baltische Land eine rühmliche Ausnahme. Das Defizit lag im vergangenen Jahr trotz eines beispiellosen Rückgangs um 15 Prozent der Wirtschaftsleistung bei 1,7 Prozent, stellt die EU-Kommission fest. Nach der jüngsten EU-Konjunkturprognose wird die Neuverschuldung heuer und 2011 2,4 Prozent ausmachen und damit noch immer deutlich unter der Drei-Prozent-Schwelle liegen. Der Gesamtschuldenstand Estlands von 7,2 Prozent des BIP war 2009 der niedrigste in der EU - das Land damit sehr weit unter der Maastricht-Grenze von 60 Prozent. Für 2010 rechnet die EU-Kommission mit einem Anstieg der öffentlichen Verschuldung auf 9,6 Prozent, für 2011 auf 12,4 Prozent.

Premier Ansip dankt Bevölkerung

Der estnische Ministerpräsident hat der Bevölkerung des 1,1-Millionen-Einwohner Landes gedankt. "Ohne eure Unterstützung wäre es nicht möglich gewesen, die notwendigen, aber schmerzvollen Entscheidungen zu treffen."

Estland werde seine "umsichtige Finanzpolitik auch in Zukunft fortsetzen", so Ansip in einem anderen Kommentar. Der Bericht der EU-Kommission habe "eindeutig bestätigt, dass unsere verantwortungsvolle Finanzpolitik der richtige Weg für Estland war. Alles was wir getan haben, hätten wir auch ohne den Euro als Ziel getan".

Finanzminister Jürgen Ligi verwies darauf, dass die Währungspolitik Estlands seit der Schaffung der Eurozone eng mit ihr verbunden ist: "Die Estnische Krone ist seit beinahe 20 Jahren an den Euro, beziehungsweise davor die Deutsche Mark gebunden. Unter diesem Aspekt sind wir seit langem in die Eurozone involviert und haben deren Finanz- und Wirtschaftspolitik akzeptiert", so der estnische Finanzminister. (APA)