2010 wird ein gutes Aktienjahr glaubt Fondsmanager Herbert Autengruber. Wie er zu dieser Überzeugung kommt, welche politischen Vorhaben für ihn derzeit von Interesse sind und warum Anleger nichts aus der Geschichte gelernt haben, erklärt er im Interview mit Regina Bruckner.
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derStandard.at: Die Branche hat es zuletzt recht arg gebeutelt, hat sich aber dann am Ende doch wieder recht gut erfangen. Wie geht es im kommenden Jahr Ihrer Ansicht nach weiter?
Herbert Autengruber: Es gibt eine Menge Faktoren, die wir beachten. Mich interessieren zum Beispiel Konjunkturzyklen sehr stark. Ich habe sie mir für 17 Industriestaaten über 100 Jahre angeschaut. Aufgefallen ist mir dabei: Wenn aus Aktiensicht eindeutig ein neuer Aufschwung begonnen hat, folgt in 85 Prozent aller Fälle auf ein positives erstes Aktienjahr ein zweites weiteres positives Aktienjahr. Der normale Rhythmus wäre also, dass 70 Prozent aller Jahre an den Aktienmärkten positiv, 30 Prozent negativ sind. Für das zweite Jahr eines Aufschwunges ist das Verlustrisiko nur halb so groß wie normal.
derStandard.at: Jeder vertraut anderen Indikatoren...
Autengruber: Für mich ist das sehr stark und bedeutet, dass Konjunkturzyklen, die typischerweise drei bis fünf Jahre, aber so gut wie immer zumindest zwei Jahre dauern. Daher ist dieses zweite Jahr ziemlich das sicherste. Eine sehr viel bessere Situation kriegt man - wenn man die langen Zyklen betrachtet - nicht.
derStandard.at: Das heißt, Sie werden heuer voll Gas geben...
Autengruber: Ich bin sehr optimistisch, dass 2010 ein positives Aktienjahr wird. In den anderen Jahren versucht man einzuschätzen, in welche Richtung es sich eher neigt. Es war nicht völlig überraschend, dass es 2007/2008 zu einer negativen Entwicklung kam. Da gibt es für Fondsmanager den sehr wichtigen Indikator: Ist eine Zinskurve invers.
derStandard.at: Die kurzfristigen Zinsen sind dann also höher als die langfristigen...
Autengruber: Was die Notenbank hier macht - das wird offiziell immer bestritten - sie würgt die Konjunktur beizeiten ab, um eine Blasenbildung zu begrenzen. Sie erschwert den Kreditzugang. Das hat bisher immer seine Wirkung gehabt - und die Fed (Anm. US-Notenbank) gibt es seit 1914. Es dauert nie länger als zwei Jahre, bevor wir dann in einen starken Abschwung kommen. Was diesmal allerdings überraschend war, dass es eben nicht 20 bis 25 Prozent runter gegangen ist. Da habe ich mich genauso wie die anderen auch geirrt, als wir im Jahr 2008 - bei einem Minus von 20 Prozent - dachten, da könnte das Schlimmste vorbei sein. Leider ein Irrtum.
derStandard.at: Im Herbst 2008 kam die Lehman-Entscheidung...
Autengruber: Die hat zunächst die Banker in hellen Aufruhr versetzt und anschließend leider alle. Ich muss sagen, ich war auch beim Abschwung 2008 in erheblichem Ausmaß dabei. In einen Jahrzehnt hat man rund zwei Kursrutsche in einem Ausmaß von 20 bis 25 Prozent, so jeder dritte oder vierte daraus entwickelt sich bis zu minus 50 Prozent.
derStandard.at: Das heißt, Sie hatten 2008 andrerseits mit Ihrem Fonds, dem Heureka Outperformance Fonds, einen guten Start, weil die Erwartungen nicht allzu hoch waren.
Autengruber: Die Feuerprobe hat man hinter sich. Aber mit minus 27 Prozent im Jahr 2008 haben wir uns mit dem Fonds gut gehalten und liegen jetzt auch wieder 30 Prozent über dem Startkurs im Jahr 2008, das bedeutet immerhin eine Verzinsung von über 13 Prozent jährlich seit Auflage, erzielt in einer kurzen Periode mit einer der schwersten Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte.
derStandard.at: Wie glücklich sind Sie mit der Politik der Notenbanken, speziell der EZB (Anm. Europäische Zentralbank) ?
Autengruber: Die EZB hat nicht sehr viele andere Möglichkeiten und hat auch nicht sehr viel falsch gemacht. Sehr umstritten war die Entscheidung im zweiten Quartal 2008, als sie mitten im schon stark beginnenden Konjunktur-Abschwung die Zinsen noch erhöht hat. Normalerweise machen Notenbanken das Gegenteil. Die amerikanische Notenbank hat schon ein dreiviertel Jahr davor mit massiven Zinssenkungen begonnen, während die EZB noch die Zinsen erhöhte. Aber das erklärt sich auch aus der Geschichte und hängt damit zusammen, dass die Deutschen sehr großen Einfluss haben. Die größte Angst der deutschen Volkswirte ist die steigende Inflation. Und die steigenden Rohstoffpreise und relativ gute Konjunkturdaten im ersten Quartal 2008 haben damals also zu dieser Entscheidung geführt, obwohl vorlaufende Indikatoren schon gezeigt haben, da könnte etwas Schlimmeres kommen. Das hat wahrscheinlich auch dazu beigetragen, dass 2008 ein so schlechtes Jahr geworden ist.
derStandard.at: Stichwort Inflation - wie berechtigt war die Angst vor einer Hyper-Inflation?
Autengruber: Was man in Zusammenhang mit der Verschuldungssituation der Staaten ein bisschen zur Beruhigung der Menschen sagen kann: Es ist keineswegs so, dass die USA jetzt mit 85 Prozent des BIP momentan eine Rekordverschuldung hätten. Die lag beginnend mit dem Zweiten Weltkrieg etwa ein Jahrzehnt bei 120 Prozent des BIP, höher also als die griechische derzeit. Trotzdem ist es mit einer Vielzahl von Maßnahmen gelungen, innerhalb von 15 Jahren auf 30 Prozent herunterzukommen. Aber die Hälfte dieses Schuldenabbaus war damals der Inflation zu verdanken. Tatsächlich hat der Staat hier etwas mehr auf die Geldpresse gedrückt.
derStandard.at: Ihre Botschaft lautet also, es ist keine ausweglose Situation?
Autengruber: Viele Analysten sagen derzeit, wenn die Entwicklung der letzten Jahre fortgeschrieben wird, sind wir in zehn oder 20 Jahren bei einer Verschuldung von 200 Prozent des BIP. Wenn man keine falsche Politik betreibt, ist die Situation umkehrbar. Den Weg, wie ihn Deutschland in den 1920er Jahren gegangen ist - wo der Schuldenabbau mit einer extremen Hyperinflation einherging, wird eine EZB sicher nicht beschreiten. Die derzeitige Ausweitung der Geldmenge ist ja eigentlich nur ein zur Verfügungstellen von Liquidität für die Banken. Aber die Liquidität geht ja nicht in den Markt, die Banken sind bei der Kreditvergabe eher auf der Bremse.
derStandard.at: Welche politischen Vorhaben sind derzeit für Sie als Fondsmanager von Interesse?
Autengruber: Bei der Frage, ob ich in die Banken investieren will - sei es in Aktien oder sei es in Anleihen - ist es schon gut, wenn ich weiß, wie die Besteuerung für Banken genau ausschauen soll, wie die Eigenkapitalvorschriften sein werden, ob Banken mit großen Kapitalerhöhungen kommen. Da herrscht derzeit eine unsichere Situation, die dazu führt, dass Banken relativ niedrig bewertet sind.
derStandard.at: Wie sieht Ihre Investitionsstrategie in so unsicheren Zeiten aus?
Autengruber: Für den Heurekafonds verwende ich fünf verschiedene Strategien. Einmal wird in unterbewertete Aktien und Anleihen investiert. Da gab es vor allem vor einem Jahr einiges zu finden - zum Beispiel Bankanleihen, die sich praktisch verfünffacht haben. Aber auch in der Industrie gab es solche Unternehmen wie den Leiterplattenhersteller AT&S. Teilweise haben sich auch Automobilwerte, die nur mehr bei 40 Prozent vom Buchwert notieren, mehr als verdreifacht. Das zweite ist die relative Stärke - auch Trendfolge genannt. Da geht es darum, Aktien herauszupicken, die in den letzten sechs bis zwölf Monaten am stärksten gestiegen sind. Da heißt es aber ein paar Nebenbedingungen einzuhalten - zum Beispiel, sie nur zu nehmen, wenn sie nicht zu teuer sind. Hier waren es die Emerging Markets, die relativ stark gestiegen sind. Statistiken haben ergeben, dass dieser Trend noch länger anhalten wird, ebenso wie Rohstoffe.
derStandard.at: Was hat es mit Ihrer Timing-Strategie auf sich?
Autengruber: Interessanterweise steigen zur Monatswende die Aktien-Kurse stärker, als im Rest des Monats. Der Hauptgrund ist die Auszahlung der Gehälter, da entscheiden die Leute auch über die Veranlagung. Die Monatssparpläne von Fondsgesellschaften werden meistens am 1. bis 3. Tag eines Monats erstellt. Daher gibt es einfach mehr Zuflüsse. Im Fonds nutze ich das, indem ich ein besonders hohes Aktienexposure habe. Ein weiterer Aspekt ist die Jahreswende. Im Jänner steigen besonders jene Aktien sehr stark, die im Jahr zuvor die größten Verlierer waren.
derStandard.at: Was sich sicherlich steuerlichen Aspekten verdankt...
Autengruber: Besonders in jenen Ländern, wo die Kursgewinne einkommenssteuerpflichtig sind, werden zum Jahresende Verluste realisiert, um sie mit der Einkommenssteuer zu verrechnen. Im Jänner wird wieder zurückgekauft. Der eine oder andere Fondsmanager wirft auch zu dieser Zeit Jahresverlierer raus, bevor diese in der Jahresbilanz auftauchen. Die letzte Strategie beruht auf Outperformance-Zertifikaten, die ermöglichen es, doppelt so schnell zu steigen wie ein Aktienindex - was in einem positiven Aktienjahr ziemlich beachtlich ist. Der Preis dafür ist der Verzicht auf die Dividende.
Hier geht es zur Seite zwei: Was man Anlegern derzeit versprechen kann
derStandard.at: Was muss und kann man Anlegern derzeit versprechen?
Autengruber: Die schlimmen Zeiten für alle Anleger - insbesondere wenn man in Aktien investiert hat - sind, dass man sozusagen zehn Jahre nicht vom Fleck kommt oder im Minus ist. Statistiken werden derzeit mit sehr viel höherer Skepsis beurteilt als vor zehn Jahren. Das Vertrauen ist stark erschüttert. Das wird auch nicht schnell massiv besser werden.
derStandard.at: Wie sieht es nun mit den langfristigen Erträgen, die ja bei Aktien immer in Aussicht gestellt werden aus?
Autengruber: Das Vertrauen in langfristige Erträge ist durchaus gerechtfertigt. Im 20. Jahrhundert waren das nominal vor Inflation etwa neun Prozent (nach Inflation etwa sechs Prozent) per anno für die Welt. Im 19. Jahrhundert hatten wir eine reale Rendite von fünf Prozent, aber auch niedrige Inflationsraten, denn damals gab es noch den Goldstandard. Eines ist aber typisch in diesen Zyklen: Wir haben ein oder zwei Jahrzehnte hintereinander, wo es relativ stark aufwärts geht - in den USA von 1920 bis 1929 etwa eine Verfünffachung der Aktien-Kurse, von 1982 bis 2000 eine Verzehnfachung. Am Ende solcher Zyklen sehen Sie unglaublichen Optimismus. So wie im Jahr 2000 oder im Jahr 1966. Wenn es dann ein Jahrzehnt oder zwei Jahrzehnte seitwärts geht - wie von 1966 bis 1982 - mit hoher Inflation, ist am Ende das Verbrauchervertrauen am Boden. Da glaubt niemand mehr an die Aktienanlage. 1982 kam übrigens der Ausbruch und die Aktienkurse haben sich verzehnfacht.
derStandard.at: Am Ende dauert es fast eine Generation lang, bis das Vertrauen zurück ist und es wird nach wie vor aus dem Bauch heraus entschieden?
Autengruber: Man informiert sich zuallererst im Umfeld - beim Nachbarn, im Bekanntenkreis. Aber da hatte man zumindest 1998/99 positive Dinge zu erzählen. Dann kommen natürlich die Erfolgsstories in den Medien - oder später eben Misserfolgsstories. Man merkt das auch im Anwachsen von Garantie-Produkten. Ich biete keine Kapitalgarantie, denn ich bin Optimist und ich bin seit 30 Jahren in der Branche.
derStandard.at: Welches Ziel peilen Sie mit dem Heureka Outperformance Fonds an?
Autengruber: Die Mindestveranlagungsdauer sollte doch bei zehn bis 15 Jahren sein. Damit man nicht zum falschen Zeitpunkt die Nerven verliert. Eine Wertsteigerung von zehn Prozent pro Jahr ist das Ziel.
derStandard.at: Welche Prognosen sind derzeit für Sie interessant?
Autengruber: Gut ist, wenn das Verbrauchervertrauen schlecht ist, weil wir erfahrungsgemäß wissen, dass ein extremer Pessimismus - wie im Oktober 2008 oder im März 2009 - immer nur relativ kurz herrscht. Anleger verhalten sich ein bisschen wie Manisch-Depressive. Gute Aktienjahre und ein guter Zeitpunkt, um in Aktien zu investieren sind, wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, wenn Kapazitätsauslastung, Inflationsrate und die Zinsen sehr niedrig sind. Für die Menschen verbessert sich natürlich die Situation, sobald die Arbeitslosigkeit sinkt. Die sinkt aber - wie wir wissen - erst ein bis eineinhalb Jahre nach dem Ende einer Rezession. Dieser Zeitraum von der Mitte der Rezession und den darauf folgenden ein bis zwei Jahren steigen die Aktienkurse aber am meisten. Dann, wenn der Kunde sich wieder sicherer fühlt, ist mindestens die Hälfte des Konjunkturaufschwungs und der positiven Aktienbewegung bereits passiert.
derStandard.at: Anleger haben also nichts aus der Geschichte gelernt?
Autengruber: Leider investieren Menschen in der Regel nicht antizyklisch, sondern prozyklisch. Sie sind beruhigt, wenn es drei, vier, fünf Jahre wieder aufwärts gegangen ist. Wir wissen aber, alle drei, vier oder fünf Jahre kommt wieder ein stärkerer Abschwung. Wann genau, ist aber natürlich nicht vorherzusagen und oft mit unerwarteten Ereignissen wie 9/11 verbunden. Kursrückgänge bis minus 15 Prozent können jederzeit stattfinden, das kann heute schon beginnen. Was absolut untypisch wäre, wäre ein Rückgang über 15 Prozent ehe wir die alten Hochs von 2000 und 2007 - für die großen Aktienindizes plus 30 Prozent - wiedersehen.
derStandard.at: Stichwort Verbrauchervertrauen: Hat eine Firma wie Meinl da geschadet?
Autengruber: Viele der Aussagen waren schon relativ aggressiv und populistisch. Und es wurde im Hintergrund auch relativ kräftig zugelangt bei den Gebühren, um den Vertrieb und das Marketing zu finanzieren. Was die Bewertung von Immobilienaktien grundsätzlich betrifft, so findet man hier noch eher einen Konsens, weil man sich an der zugrunde liegenden Immobilie anhalten kann. Im Jahr 2007, als diese Aktien ihren Höhepunkt erreicht haben, waren die meisten der heimischen Immobilienaktien um 20 bis 30 Prozent überbewertet. Mit einem solchen Kursverlust war auch zu rechnen. Das tatsächliche Ausmaß war allerdings auch für Experten verblüffend, damit hat niemand gerechnet. Denn die massiven Überbewertungen der Immobilien fanden ja in Spanien, in Großbritannien und in den USA statt und nicht hier in Österreich und in Deutschland. Bedauerlich ist natürlich, dass es viele österreichische Privatanleger so erwischt hat, weil die mit einem viel zu großen Anteil, teilweise auch zur Gänze, in diesen Papieren investiert waren.
derStandard.at: So sicher wie ein Sparbuch war die Sache nicht...
Autengruber: Dass die Papiere in die Nähe des Sparbuchs gerückt wurden, war natürlich schon unverantwortlich. Es waren ja keine Fonds. Man hat versucht, den Leuten einerseits die Dynamik von Aktien und andererseits die Sicherheit von Immobilien darzustellen. Es handelte sich aber ganz einfach um hoch spekulative Einzelaktien, die vor allem in Entwicklungsprojekte investierten - was wieder spekulativer ist, als offene Immobilienfonds (Anm.: Weil er in bereits gebauten, fix vermieteten und nicht kreditfinanzierten Objekten investiert ist). Bei Meinl hatten wir das Gegenteil: Eine kreditfinanzierte Aktiengesellschaft, die Entwicklungsprojekte in neuen Märkten betreibt. Also ein relativ riskantes Produkt. Das war vermutlich nicht einmal den Vermittlern bewusst. (Regina Bruckner, derStandard.at)