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Die Landeshauptleute haben in Österreichs Politik traditionell viel Macht.

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

„Wozu brauchen wir Bundesländer?", erkundigt sich User OttotheBusdriver und auch Advaita0 fragt: „Warum brauchen wir in jedem Bundesland einen Apparat wie den Staat, wenn Bayern seine 9 Millionen Einwohner mit weit weniger Aufwand als wir hier versorgt?" derStandard.at hat nachgefragt.

„Man braucht die Bundesländer nicht", so Heinz Mayer, Verfassungsjurist und Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Die Landtage in den Bundesländern hätten nur wenig Gesetzgebungskompetenzen und oftmals nicht viel zu tun, im internationalen Vergleich würden sie nur sehr wenige Menschen vertreten. „Das Problem ist, sie können vieles verhindern, aber wenig gestalten." Die Landeshauptleute gelten in Österreich als sehr einflussreich. „In der SPÖ dominieren die starken Landeshauptleute die Partei und nicht der Bundeskanzler, und in der ÖVP genauso", so der Verfassungsrechtler.

Schlankere Verwaltung – weniger Geld?

In der Föderalismusdebatte sei die Frage vor allem, wie man staatliche Kompetenzen verteilt und ob es mit einem Gesetzgebungsorgan im Staat auch funktionieren könnte. Durch eine Abschaffung der Bundesländer könne sich Österreich viel Geld ersparen, "weil wir eine wesentlich schlankere Verwaltung hätten", so Mayer.

Dem widerspricht Ferdinand Karlhofer, Leiter des Instituts für Politikwissenschaft an der Uni Innsbruck. "Es gibt keinen Hinweis, dass der Zentralstaat günstiger ist als ein Föderalstaat." Dies sehe man an Beispielen wie Frankreich, einem straff zentral organisierten Staat. Hier müsse man ebenso Verwaltungsstrukturen aufrechterhalten wie in Föderalstaaten. Studien aus der Schweiz zeigten ebenso, dass das Einsparungspotenzial nicht besonders groß ist. Außerdem sei in Österreich die Bindung an das Land, die Identität groß. "Man fühlt sich als Tiroler, als Oberösterreicher oder als Wiener."

Reformbedarf bei Zuständigkeiten

"Am Ende ist die Frage nicht Föderalismus Ja oder Nein, sondern wo Reformbedarf ist," so Karlhofer. Und dieser ist jedenfalls gegeben, darin sind sich beide Experten einig. Beim derzeitigen föderalistischen System Österreichs mit seinen neun Bundesländern seien Zuständigkeiten und Parallelstrukturen das Problem. So kommt es in Bereichen wie der Schulpolitik, im Arbeitnehmerschutz oder im Gesundheitsbereich oft zu Überschneidungen, nicht nur zwischen Bundesländern, sondern auch zwischen Ländern und Bund. Das führt dann dazu, dass bei der Umsetzung einer Europarichtlinie in Österreich manchmal zehn Gesetze erlassen werden müssen, erklärt Heinz Mayer: "Zuerst ein Bundesgesetz und dann neun Landesgesetze."

Als Fälle, wo es zu Spannungen zwischen einzelnen Ländern kam, gelten der Bau des Koralmtunnels oder des Semmeringbasistunnels. Verwirrend auch die unterschiedliche Gesetzgebung in Bereichen wie dem Tier- oder Jugendschutz. So dürfen 14-Jährige in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland bis ein Uhr früh fortgehen, in der benachbarten Steiermark nur bis 23 Uhr.

Abschaffung nur mit Volksabstimmung

Dass eine Abschaffung der Bundesländer äußerst unwahrscheinlich ist, darin sind die Experten gleicher Meinung. Notwendig wäre dafür eine Verfassungsänderung, die der Nationalrat beschließen müsste. Neben der Zustimmung des Bundesrats müsste man außerdem eine Volksabstimmung durchführen. Kaum vorstellbar, dass sich die Länder und ihre Landeshauptleute hier nicht querlegen würden.

Auch wenn der Vorschlag die Bundesländer ganz abzuschaffen, in Österreich quasi zwangsläufig Empörung hervorruft, gab es in der Vergangenheit nicht wenige Vorstöße in Richtung einer Modifikation des Föderalismus. Der einstige steirische VP-Landesrat Gerhard Hirschmann sorgte 1997 für Aufregung, als er die Einrichtung von drei österreichischen Großregionen vorschlug. Versuche einer Bundesstaatsreform gibt es seit den frühen 1980er Jahren. Auch heute ist die Verwaltungsreform in aller Munde.

Föderalismus durch Machtvakuum

Entstanden ist das föderale System Österreichs nach Zerfall der Monarchie. In der Bildung der Republik wurden einstige Kronländer zu Bundesländern, da es bereits damals maßgebliche Kräfte in den Ländern gab, so Heinz Mayer. "Nach Zerfall der Monarchie gab es ein Machtvakuum in Österreich, und in das sind die Länder massiv eingefallen." Später kam der Konflikt zwischen Sozialdemokraten und Christlichsozialen dazu. Letztere dominierten in den 1920er Jahren in den Bundesländern. Das Zentrum der roten Macht sah man in Wien, "dem wollte man etwas Christlichsoziales entgegenstellen", so Mayer. (ask/derStandard.at, 17.05.2010)