Elfriede Vavrik: "Alt und hässlich? Ich finde mich jetzt viel, viel schöner als früher."

Foto: Edition a / Bubu Dujmic

Elfriede Vavrik: "Nacktbadestrand", Edition a, EUR 19,50, ISBN: 978-3990010099

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Am Anfang war die Schlaflosigkeit. Am Anfang war ein Herr Doktor mit einem überraschend "naturmedizinischen" Tipp: Suchen Sie sich einen Mann!

Elfriede Vavrik ist 79, Buchhändlerin und gerade in Pension gegangen. Sie ist Mutter von drei Söhnen, zweimal geschieden und von Männern eigentlich geheilt. Und das schon sehr, sehr lange: vierzig Jahre ohne Sex! Vavrik befolgt den ärztlichen Ratschlag und inseriert im "Bazar". Lustvolle Zeiten brechen an: Liebeskandidaten präsentieren sich, Vavrik entdeckt nach einem beinahe nonnenhaften Leben in sich die große Liebende. Nach etlichen (S)Experimenten konzentriert sie sich auf ein paar Männer, mit denen sie erfüllenden Sex hat und eine Freundschaft pflegt.

Elfriede Vavrik genießt und schweigt nicht. Sie veröffentlicht ihre Erlebnisse in dem Buch "Nacktbadestrand", das rasch zum Bestseller wird, ist Gast in deutschen Talkshows und wird im Boulevard und im Feuilleton besprochen. Ein skurriles Phänomen? Lustgreisin oder Sex-Oma, wie die österreichische Frauenzeitschrift "Madonna" abwertend schreibt?

Elfriede Vavrik ist eine Frau, die macht, worauf sie Lust hat. Eine Frau, die darüber schreibt - und zwar gut.

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Michèle Thoma: Meine Tochter, Mitte zwanzig, findet es nicht besonders exotisch, dass ältere Frauen Sex haben.

Elfriede Vavrik: Großartig, dass sie diese Einstellung hat!

Michèle Thoma: Vollkommen überflüssig findet sie es hingegen, dies an die große Glocke zu hängen. Sie meint, das Buch werde begeistert von älteren Frauen - wie ihrer Mutter - gekauft, die sich dann darüber freuen, dass "noch was geht".

Elfriede Vavrik: Ja, natürlich geht noch was! Die älteren Frauen glauben alle, sie sind nichts wert. Das stimmt doch überhaupt nicht. Das sind Erfahrungen, die Junge gar nicht haben können. Aber ich werde auch von jungen Mädchen angestrahlt.

Michèle Thoma: Als ich von Ihnen hörte, sah ich eine Invasion von Gehwagerl-Greisinnen, die kokett das Röckchen lüpfen. Ich hatte einen männlich-satirischen Blick. Als ich dann das Buch las, imponierten mir die Nüchternheit, der Witz, auch eine gewisse Zärtlichkeit den Männern gegenüber. Sie mögen Männer und verstehen sie - vielleicht auch, weil Sie drei Söhne haben?

Michèle Thoma: Das stimmt. Ich interessiere mich auch für meine Freunde und gebe ihnen Ratschläge, auch was ihre Ehen und Beziehungen anbelangt.

Michèle Thoma: Eine Beziehung wollen Sie aber bewusst nicht.

Elfriede Vavrik: Nein - ich will nur verheiratete Männer oder Männer mit Freundinnen. Ich will nicht, dass die Männer zu anhänglich werden. Ich habe mich jetzt von einem Mann getrennt, weil er seine Freundin verlassen hat.

Michèle Thoma: Sie schreiben, dass "es schwabbelt" bei älteren Männern. Sie wirken auf Sie abstoßend. Interessieren Sie sich deshalb oder aus anderen Gründen für jüngere Männer?

Michèle Thoma: Ich will richtigen Sex. Achtzigjährige kriegen nichts mehr zustande! Bei den meisten wird es ab fünfzig schon schwierig. Ganz junge Männer suche ich aber auch nicht - dabei werde ich oft von ihnen kontaktiert.

Michèle Thoma: Eine Freundin, die nur "über" Sie gelesen hat, urteilte oder vorurteilte, Sie würden Wegwerfsex praktizieren ...

Elfriede Vavrik: Wegwerfsex?! Was für ein Wort! Natürlich habe ich mir die Männer ausgesucht, aber ich habe mich mit ihnen unterhalten, geschaut, ob sie mir sympathisch sind. Ich habe niemanden weggeworfen! Ich rede sehr viel mit den Männern, mit denen ich Sex habe. Das Reden ist mir sehr wichtig.

Michèle Thoma: In Ihrer Kollektion gab es einen Mörder, einen Fäkalfetischisten, ein Musterenkelkind. Sind es vorwiegend Männer mit sogenannten perversen Neigungen oder solche, die sonst keine Chance bei Frauen haben und daher zu älteren Frauen gehen?

Elfriede Vavrik: Überhaupt nicht. Man kann nicht von Perversion reden, eher von einer Vorliebe.

Michèle Thoma: Wenn Frauen den richtigen Sexualpartner haben, neigen sie doch oft dazu, sich zu verlieben.

Elfriede Vavrik: Dann sollten sie sich sofort einen zweiten anschaffen! Liebe und Sex, das sind zwei Paar Schuhe. Wenn es zusammenfällt, ist es ein Lotto-Zwölfer! Männer sind nicht monogam - Frauen heute auch nicht mehr.

Michèle Thoma: Große Liebe - glauben Sie nicht daran?

Elfriede Vavrik: Große Liebe ist kein Blödsinn. Mir ist sie nicht begegnet. Aber dass zwei Menschen gleich intensiv lieben, gibt es wahrscheinlich nicht. Einer kommt immer zum Handkuss. Ich will mich nicht zu sehr verlieben. Ich will nicht abhängig werden, leiden. Die Liebe soll mir gut tun.

Michèle Thoma: Die Angst, alt und abstoßend zu sein, scheint Ihnen fremd - und das in einer Welt, in der schon Teenies in Panik geraten, weil ihr Körper nicht einem Bild entspricht, das sie für ideal halten.

Elfriede Vavrik: Alt und hässlich? Ich finde mich jetzt viel, viel schöner als früher. Ich war so ein dünnes Ding! Und den Männern ist dieses Perfekte ja überhaupt nicht wichtig, die schauen ja gar nicht so auf jedes Detail. Das bilden sich die Frauen ein.

Michèle Thoma: Auffällig ist, dass Frauen im Buch oder in Ihren Interviews nicht vorkommen. Gab es nie Vertraute, Freundinnen?

Elfriede Vavrik: Nie! Schon als Mädchen nicht. Ich war immer die Allerletzte unter den Mädchen, so dürr wie ich war, überhaupt nicht schön. Die wollten ja die Burschen anlocken, mit so einer wie mir ging das nicht. Später hatte ich einfach keine Zeit für Freundschaften. Das Einmischen mochte ich auch nicht. Ich war Geschäftsfrau, dann Alleinerzieherin.

Michèle Thoma: Auch keine Freundschaften mit Sandkastenmuttis?

Elfriede Vavrik: Meine Kinder hatte ich nebenbei - für all das war keine Zeit!

Michèle Thoma: Sie haben sehr selbstbestimmt gelebt. Sie haben sich zwei Mal scheiden lassen, nicht gerade üblich in Ihrer Generation, haben bis vor kurzem Ihr Geschäft geführt. Ihr Buch war nicht als feministisches Manifest gedacht, Sie haben es eigentlich für Männer geschrieben. Was bedeutet für Sie Feminismus?

Elfriede Vavrik: Ich habe was gegen Gleichberechtigung. Ich habe es gern, wenn der Mann ein Mann bleibt und die Frau eine Frau, nicht nur im Bett - außer der Mann steht in der Küche und kocht gut!

Michèle Thoma: Aber ohne Gleichberechtigung hätten Sie niemals so ein Buch schreiben können!

Elfriede Vavrik: Das stimmt! Ich wäre gesteinigt worden. Also, für Gehalt in gleicher Höhe bin ich natürlich schon!

Michèle Thoma: Sie leben und lieben so gut, so viel, so intensiv wie möglich. Sie genießen Sex mit auserwählten Männern im Bewusstsein, dass es keine endgültige Bindung geben wird. Sie scheinen reif für die freie Liebe zu sein. Ihr Buch ist letztendlich ein weises Buch.

Elfriede Vavrik: Danke! Ich kann jetzt auch wieder schlafen. (Die Fragen stellte Michèle Thoma*, dieStandard.at, 13.5.2010)