Was den Securityboom und den Heeresassistenzeinsatz im Burgenland verbindet.

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Kritische Stimmen „aus Europa" werden in Österreich nicht gern wahrgenommen - ganz so, als ob dieses Land nicht „mit zum Klub" gehörte. So zum Beispiel die Stimme der EU-Grundrechtsagentur (FRA ) (www.fra.europa.eu) , die unlängst die Unsitte ansprach, dass in Österreich ein Wildwuchs an Videoüberwachung existiert - wildgewachsener als in den meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten.

Tatsächlich wird man hierzulande, ob man nun durch die Stadt schlendert, einkauft oder (besorgte) Mitbürger besucht, von einem Überwachungskameraauge nach dem anderen angeglotzt. 95 Prozent davon sind laut dem Obmann der Datenschutz-NGO „ARGE Daten", Hans Zeger, nicht registriert. Das bedeutet, dass keiner gesetzlichen Kontrolle unterliegt, was mit den Aufnahmen der vielen unbescholtenen Mitbürger geschieht, die zum Zweck der Räuber- und Diebesabwehr gefilmt wurden. Eine Frage, die nicht so einfach abzutun ist: Den „ARGE Daten"-Mitarbeitern sind Fälle bekannt, wo Eltern von Nachbarn Überwachungsaufnahmen ihrer Kinder beim Spielen an (für die Nachbarn) nicht genehmem Orten unter die Nase gerieben bekamen.

Leider wird Derartiges in Österreich vielfach nicht als Datenschutz- und damit Grundrechtsproblem betrachtet, sondern als kleine, in Kauf zu nehmende Panne im Kampf gegen das Verbrechen. Wer sich trotzdem beschwert, wird der Blauäugigkeit oder gar der Duldung strafwürdiger Umtriebe verdächtigt. Dass das nicht stimmt, zeigen die Ausführungen Mike Nevilles, zuständig für Fragen der Videoüberwachung bei Scotland Yard. 2008 sorgte er mit der Aussage für Aufsehen, die rund 4,5 Millionen Kameras, die in England steuergeldfinanziert in Straßen, Bahnhöfen und Einkaufzentren hängen, hätten nur wenig Verbesserung gebracht. In London etwa seien nur drei Prozent aller Ermittlungserfolge auf Videoaufzeichnungen zurückzuführen, weil es zu wenig Polizisten gebe, um die stundenlangen Filme zu durchforsten. Auch die Häufigkeit von Überfällen und Raub habe nicht abgenommen, da viele Täter wüssten, dass die Kameras nur sehr schlechte Aufnahmen lieferten. Dass es Neville unter anderem um mehr Polizeikompetenzen bei der Videoüberwachung ging, sei hier der Fairness halber miterwähnt.

In Österreich sind es weniger Behörden als Private - vom Taxifahrer über den Trafikanten zum Villenbesitzer - die durch Videoüberwachung ihr Bedrohungsgefühl verringern wollen. Sie tun das praktisch unkontrolliert, unter anderem weil bei der Datenschutzkommission nur ein einziger Mitarbeiter für die Überwachungskamerakontrolle zuständig ist. Und sie sitzen dabei einer Sicherheitsillusion auf, die an den offenbar unhinterfragbaren Bundesheerassistenzeinsatz im Burgenland erinnert: viel Aufwand, wenig Wirkung, aber das Sicherheitsgefühl stimmt. Und über das schiefe Grundrechtsverständnis schaut man hinweg.