Das Rauminstallation gewordene Gegenteil eines Saustalls: das Modell "Akari 1N" aus der Kollektion "Akari Light Sculptures" von Isamo Nuguchi, 1957

Foto: Thomas Dix

ndrea Eschbach besuchte die Schau

Ob shuffle, nano oder classic: Apples iPod ist längst ein nicht mehr aus dem Alltag wegzudenkendes Kultobjekt. Im November 2001 stellte Apple-Chef Steve Jobs das erste Modell des Multimediaplayers vor. Fünf Gigabyte Speicherplatz bot der weiße Kasten, der Akku hielt zehn Stunden durch. Seitdem hat sich der iPod in Sachen Speicherplatz und Features sehr verändert. Was blieb, ist im Prinzip die Formensprache und die Tatsache, dass er als einzigartiger Meilenstein die digitale Welt revolutioniert hat.

Auch er ist Teil der Schau "Die Essenz der Dinge. Design und die Kunst der Reduktion". Zusammen mit rund 50 anderen Objekten eröffnet er den Ausstellungsparcours im Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Hinter Glas sind Dinge versammelt, die auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben. Doch ob Faustkeil, Suppenwürfel, Fächer, Pantoffel oder Diamant - jedes der präsentierten Objekte ist auf das Wesentliche beschränkt. Das Tableau vereint in sich die verschiedenen Aspekte der Reduktion.

"Das Thema der Reduktion hat als Gegenpol nicht nur die Komplexität, sondern es ist selbst auch extrem komplex", wie Kurator Mathias Schwartz-Clauss sagt. Denn Design lässt sich schließlich nicht nur formal reduzieren. Und so steckt die Schau die ganze Bandbreite vom Prinzip der Reduktion im Design ab. Zwölf Gruppen von Möbeln und Gegenständen zeigen jeweils einen wichtigen Aspekt - von der Entwicklung über Verdichtung und Geometrie bis zur Transparenz. Diashows und viel Text an den Wänden geben Hintergrund-Infos, erhellend wirken auch die zahlreichen Querbezüge zu Kunst, Mode, Architektur und technischer Entwicklung.

Zeit muss man mitbringen, denn nicht jedes Thema erschließt sich so einfach wie das der Logistik. Den ökonomischen Aspekt der Reduktion demonstriert hier die Transportkiste, in der 36 Exemplare des in seine Einzelteile zerlegten Stuhls Nr. 14 von Thonet auf den Transport in die ganze Welt warten. Wie man einen Gegenstand erfindet, um Platz zu sparen, zeigen in der Abteilung "Verdichtung" Peter Buchers Tablettwagen für die Swiss Air ebenso wie die stapelbaren Stühle von Charles und Ray Eames (1954).

Auf das Wesentliche beschränken lässt sich aber auch bereits die Entwicklung eines Gegenstandes. Wie das geht, haben Achille und Pier Giacomo Castiglioni schon 1954 vorgemacht: Die beiden Designer übertrugen das Prinzip des Ready-Mades auf das Möbeldesign und verwendeten für ihren Hocker "Mezzadro" vorgefundene Gegenstände wie einen Traktorsitz. Und dass Reduktion auch das Verschwinden der Dinge heißen kann, wird anschaulich in den Aspekten "Auflösung" und "Transparenz". Greifbare Illusion ist Tokujin Yoshiokas "Honey-Pop-Chair" (2001). Er ist aus nichts als weißem Papier: aus 120 Blättern gefalteten Pergamentpapiers, die sich in dem Armlehnsessel zu einer bienenwabenartigen Struktur fügen und selbst unter Schwergewichten nicht ihre Façon verlieren. Für einen gelungenen Ruhepunkt in der dichten Schau sorgt ein Raum im Raum: To-shiyuki Kitas Installation eines Teezeremonienraums verweist aber auch darauf, wie sehr die Schlichtheit des japanischen Designs das moderne Design beeinflusst. Ein ungewöhnliches Exponat findet sich in einem separaten Raum. "Reduce to the max", so lautete einst der Slogan, der für den Smart geprägt wurde. Mehr als zehn Jahre nach seine Einführung steht in Weil ein knallgelbes Auto, das man in Europa noch nicht kaufen kann. Der "Tata Nano" des indischen Autobauers Tata Motors ist nicht nur klein, sondern vor allem billig. Mit dem angekündigten Preis von 100.000 indischen Rupien (ca. 1530 Euro) ist der Kleinstwagen das billigste Serienauto der Welt.

"Es liegt in der Natur des Menschen, stets nach der einfachsten Lösung zu suchen", glaubt Mathias Schwartz-Clauss. Mit ihren schlichten Schönheiten rückt die Schau ins Licht, wie komplex und vielseitig das ganz Einfache sein kann. Weniger ist halt eben meistens mehr. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.5.2010)