2006 war die Welt für die ÖBB-Chefs Martin Huber und Erich Söllinger auch nicht mehr in Ordnung. Aber davon wusste die Öffentlichkeit nichts, denn die reformierte ÖBB fuhroffiziell Gewinn ein.

Foto: Urban

Der ÖBB-Aufsichtsrat wurde über die Spekulationen erst zwei Jahre nach Abschluss halbwegs umfassend informiert - über hunderttausende Euro Abfindungen für den verantwortlichen Vorstand gar nicht.

***

Wien - In seinem unter Verschluss gehaltenen Rohbericht über die "Finanztransaktionen der ÖBB-Holding-AG und einzelner Konzerngesellschaften mit der Deutsche Bank AG" zerlegt der Rechnungshof (RH) nicht nur Entstehung, Abschluss und Auflösung der 2010 mit 295 Millionen Euro Verlust beendeten Spekulationsgeschäfte nach Strich und Faden.

Der Bericht legt auch eindrücklich offen, dass Vorstände und Aufsichtsräte diverser involvierter ÖBB-Gesellschaften vor Abschluss der Geschäfte nicht vollumfänglich informiert wurden und nach Auffliegen im Jahr 2007 vieles im Dunkel gehalten wurde.

So berichtete der Vorstand dem Holding-Aufsichtsrat drei Monate nach Abschluss des Derivatgeschäfts am 15. Dezember 2005, dass im Zusammenhang mit den bestehenden Cross-Border-Leases so genannte Portfolio Credit Default Swaps über 612,9 Mio. Euro abgeschlossen worden seien - um Ausfallsrisiken zu tauschen, wie argumentiert wurde. Hinweise auf das "enorm hohe Drohpotenzial" der tatsächlich - ohne Zusammenhang mit den Cross-Border-Wertpapieren - abgeschlossenen Collaterized Debt Obligations (CDO), das dem damaligen Aufsichtsratspräsidenten, Wolfgang Reithofer, am 11. November sehr wohl geschildert worden war, gab es hingegen nicht.

Die erste halbwegs vollständige Darstellung erfolgte am 11. Dezember 2007, also zwei Jahre nach dem Start - als die notwendigen Rückstellungen für die CDO nicht mehr zu verbergen waren.

Keine Infos

Die Nicht-Information des Aufsichtsrats ging übrigens munter weiter, insbesondere was die vorzeitigen Abgänge Hubers und Söllingers im April und Oktober 2008 betrifft. Das offenbar mit gutem Grund. Denn der RH bezeichnet beider Manager Abfindung als "unangemessen" und "überaus großzügig", zumal es "das Präsidium des Aufsichtsrates der ÖBB-Holding unterließ, das allfällige Vorliegen von groben Pflichtverletzungen und damit eines Abberufungsgrundes eingehend zu untersuchen, obwohl im eigens beauftragten Gutachten eines Wirtschaftsprüfers bzw. eines Universitätsprofessors hinreichend Gründe dafür enthalten waren" .

Im Gegenteil, Verdacht auf "Missachtung des Zustimmungsrechts des Aufsichtsrats" und Verdacht auf "Verletzung der Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat durch Verschweigen risikoreicher Finanzgeschäfte" hinderten das im Mai 2007 vom damaligen Verkehrsminister Werner Faymann installierte Aufsichtsratspräsidium nicht, Huber und Söllinger mit "überaus großzügigen" Zahlungen abzufinden.

Prämie für Verluste

Huber bekam laut Auflösungsvertrag: 112.978,81 Euro an Entgelt für 2008 (Jänner bis 21. April), 298.428,81 Euro als freiwillige Abfertigung, 98.964,32 Euro als vertragliche Abfertigung sowie 79.738,98 Euro an Pensionskassenbeiträgen. Hinzu kamen 62.214,44 Euro an Bonifikation, obwohl es weder Zielvereinbarungen für 2008 gab noch die ÖBB Gewinne schrieb (sondern wegen der Spekulationsverluste 970 Mio. Euro Verlust). Darüber hinaus gab es noch eine Zusage für 340.000 Euro Konsulentenhonorar, die nach einem Vergleich vor Gericht auf 306.000 reduziert wurden. Die Pensionsbeiträge sanken auf 56.096,67 Euro, während das Erfolgshonorar für die bis 2015 laufenden verlustreichen Swaps von für den Haftungsfall gebildeten Rückstellungen abhängig blieb.

Versüßt wurde der Abgang auch Ex-ÖBB-Holding-Finanzchef Söllinger. Er bekam 132.672,52 Euro Erfolgsprämie für 2008, 253.117,98 Euro als gesetzliche und vertragliche Abfertigung sowie eine Prämie für die CDOs zugesagt, nämlich 228.526,83 Euro. In Summe seien mit Söllinger 882.000 Euro vereinbart, schreibt der RH.

Über die Vereinbarungen wurden weder der gesamte Aufsichtsrat noch die auszahlende Stelle, also der ÖBB-Holding-Vorstand, informiert. Die halbjährliche Kündigungsmöglichkeit wurde nicht genützt, argwöhnt der RH und empfiehlt Klage gegen das Präsidium, das möglicherweise seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.5.2010)