Wien - Noch vor Erscheinen des Romans Axolotl Roadkill im Jänner glaubte der Spiegel mit dessen Autorin, der 18-jährigen Helene Hegemann, sei das neue "Wunderkind der Berliner Kreativszene" gefunden, und Die Zeit wähnte gar, einen "literarischen Kugelblitz" (allerdings im Koksnebel) ausgemacht zu haben. Vier Auflagen (wovon drei innerhalb weniger Tage verkauft wurden), diverse Plagiatsvorwürfe und Feuilletondebatten später, die sich vor allem darum drehten, ob es sich nun schickt abzuschreiben, ist es um Helene Hegemann ruhiger geworden. Betulich ging es auch Mittwochabend im Vestibül des Burgtheaters zu, wo Autorin und Buch - in dem es um den Tod einer Mutter und die 16-jährige wohlstandsverwahrloste Mifti geht, die Drogen zuspricht, die Schule schwänzt und in dieser "Unverantwortlichkeitssache" steckenbleibt - vorgestellt wurden.

Und es kam, wie es kommen musste. Das Besteck des Schweizer Literaturkritikers Stefan Zweifel, mit dem er sich anschickte, das Buch zu sezieren, erwies sich als wirkungslos. Mit Agamben, der im Roman zitiert wird, den die erschöpft wirkende Autorin allerdings nicht gelesen hat, mit Roland Barthes und Avantgardebegriffen wird man dem Buch nicht gerecht. Das Versagen der Literaturkritik Anfang des Jahres setzte sich an diesem Abend in seiner seriösen Ausprägung fort. Es gibt in dem Buch beeindruckende Passagen über Hingabe, Selbstverlust und Autoaggression, über die man gern mehr erfahren hätte, allein sie blieben unerwähnt. Von den Bestsellerlisten ist der Roman verschwunden, der Absatz der Schwanzlurche jedoch, die dem Buch ihren Namen liehen, ist exponentiell gestiegen.
(Stefan Gmünder / DER STANDARD, Printausgabe, 14.5.2010)