Unter den vielen privilegiert aufgewachsenen, privat erzogenen, reichen Männern des neuen britischen Koalitionskabinetts ragt der neue Finanzminister noch heraus. Auf sein gerade eben um fünf Prozent gekürztes Gehalt ist George Osborne (38) nicht angewiesen: Dem Kleinadeligen wird dereinst ein hübscher Anteil des väterlichen Tapeten-Betriebs zufallen, dessen Wert auf mehr als eine Milliarde Pfund geschätzt wird.
Im Regierungsviertel Whitehall genießt Osborne den Ruf eines gewitzten Polit-Strategen, ein Grund, warum ihn der frühere Parteichef Michael Howard schon im zarten Alter von 33 Jahren auf das zweitwichtigste Amt der damaligen Schatten-Regierung beförderte. Fünf Jahre lang hat Osborne die Tory-Finanzpolitik bestimmt, immer in enger Abstimmung mit seinem Verbündeten David Cameron, dessen Haut er vor drei Jahren gerettet haben dürfte. Im Herbst 2007 plante der damals frisch ins Amt gekommene Premier Gordon Brown vorgezogene Neuwahlen, die Tories machten sich auf eine Niederlage gefasst. Da zauberte Osborne einen Vorschlag aus dem Hut, der das Meinungsklima veränderte: Die Obergrenze für die in der englischen Mittelschicht verhasste Erbschaftssteuer sollte auf eine Million Pfund steigen - Brown ließ die Finger von Neuwahlen.
Heute muss Osborne selbst überzeugen. Weil er im Parlament schrill und nassforsch klang, zog er im Duell mit seinem Vorgänger, dem trockenen Schotten Alistair Darling, oft den Kürzeren. Die City of London hatte sich statt des Cameron-Vertrauten den alten Veteran Ken Clarke zurückgewünscht, der als Schatzkanzler Mitte der Neunzigerjahre die Basis für den 15 Jah-re währenden Aufschwung gelegt hatte.
Osborne muss nun das Vertrauen der Ökonomen erwerben und einen glaubwürdigen Plan zur Reduzierung des Haushaltsdefizits von zuletzt 11,5 Prozent vorlegen. Im Nothaushalt, den Osborne in den nächsten sechs Wochen vorlegen will, dürfte viel von Einsparungen die Rede sein. Daneben erwarten die Experten auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf mindestens 20 Prozent. Ein erster Clash mit der EU steht dem Europaskeptiker nächste Woche bevor: Dann geht es in Brüssel um neue Richtlinien für Hedgefonds, die sich bisher in London ausgesprochen laxer Regularien erfreuen konnten.
Cameron ist mit der ebenfalls adeligen Schriftstellerin Frances Howell verheiratet, das Paar hat zwei Kinder - Luke und Liberty. (Sebastian Borger, DER STANDARD, Printausgabe, 14.5.2010)